24. September 2025
TikTok Symbolbild.
(Quelle: Tiko Aramyan / Shutterstock.com)
Wir interagieren aktiv mit den User*innen und nehmen uns die Zeit, Bedürfnisse und Anliegen zu verstehen. Denn echtes Interesse an den Beiträgen und Kommentaren ist ebenso wichtig wie zeitnahe Reaktionen darauf. Wir bieten einen Mehrwert, indem wir Nutzer*innen in Diskussionen einbeziehen, ihre Fragen beantworten, das Networking untereinander fördern sowie Konflikte begleiten und Trolling moderieren. Außerdem ist es wichtig, alle Beiträge und Erwähnungen zu sichten, positive Kommentare zu liken und – falls angebracht – mit einem passenden Text zu beantworten. Ein kurzes „Danke für das nette Feedback“ oder „Schön, dass Du unsere Videos magst!“ drückt Wertschätzung aus, wirkt menschlich und kann zu weiteren positiven Interaktionen anregen. Es macht auch Sinn, selbst anderen Kanälen zu folgen, auf deren Inhalte proaktiv zu reagieren oder diese auf den eigenen Kanälen zu teilen.
Ansprache mit One-to-Many und One-to-One
Wir wollen im Rahmen der Präventionsarbeit ein diverses Publikum an jungen User*innen mit einer One-to-Many-Ansprache erreichen und auf Augenhöhe und möglichst inklusiv mit ihnen kommunizieren, sodass sie uns ebenfalls gern kontaktieren, wenn sie Unterstützung brauchen. Darüber hinaus bieten wir auch One-to-One-Kommunikationen an, wenn es erwünscht ist und darum gebeten wird.
Ein Empowerment-Ansatz ist wichtig für den Umgang mit unserer Zielgruppe, und dennoch ist die Kommunikation in Bezug auf Grenzen ebenso wichtig. Unsere Präventionsarbeit widmet sich der Aufklärung über Radikalisierung und Desinformation auf TikTok, und dafür ist ein nahbarer und zugleich professioneller Umgang sehr wichtig. Dazu interagieren wir sowohl mit unserem pre:bunk-Kanal als auch mit einem dazugehörigen pädagogischen Profil.
Dieses Profil ist ein Resultat aus dem ersten pre:bunk-Jahr. Nachdem keine Einzelfallberatung wahrgenommen wurde, haben wir uns dahingehend selbstkritisch hinterfragt und wollten neue Wege ausprobieren. So können wir mit dem pre:bunk-Kanal in der One-To-Many-Kommunikation die Aspekte einer klassischen Moderation bedienen. Gleichzeitig berücksichtigen wir die pädagogischen Aspekte, indem wir ein sozialarbeiterisches Profil zur Verfügung stellen, das neben der One-To-Many-Interaktion auch die One-to-One-Kommunikation leistet, damit noch persönlicher und nahbarer ist sowie die entsprechenden Qualifikationen mitbringt.

In beiden Fällen, für One-to-Many und One-to-One, gelten grundlegende Kommunikations- und Interaktionsregeln:
- direkte Ansprache
- auf Augenhöhe
- konstruktiv
- einfach, inklusiv
- interessiert, nachfragend
- auf die Community reagieren (Q&A)
- Machtebenen benennen
- Ehrlichkeit und Grenzen
- unterstützend, empowernd
- Netiquette beachtend
Im Allgemeinen ist unsere Kommunikation also, den pädagogischen Standards entsprechend, sachlich, empathisch, informativ und bedürfnisorientiert angelegt – wir kommunizieren so wie in der Offline-Jugend(sozial)arbeit auch: offene und neutrale Grundhaltung, Sachverhalte erklären, Hintergrundinformationen geben (ohne in Suggestion zu verfallen), Beratung in den unterschiedlichsten Lebenslagen, von Anfeindungen Betroffene unterstützen, weitere Anlaufstellen empfehlen. Wir eröffnen jungen Menschen Handlungsräume, versuchen sie in Hinwendungsprozessen (zu z.B. menschenfeindlichen Einstellungen) abzuholen und zeigen ihnen ihre Selbstwirksamkeit auf. Insbesondere in herausfordernden Diskussionen und Interaktionen halten wir uns an den sozialpädagogischen Grundsatz anerkennender und wertschätzender Jugendarbeit: Nicht du bist problematisch, sondern deine Aussage ist es.
Dabei gilt immer: Ein One-to-One-Kommunikationssetting wird in unserer Arbeit nur auf eindeutige Initiative einer Person oder Gruppe hin ausgestaltet. Hierbei bildet eine direkte Anfrage an den pre:bunk-Kanal oder den pre:bunk-Pädagog*in-Account via Privatnachricht den Moment, der als eindeutige Initiative der Person(en) definiert wird. Einzelpersonen und Accounts werden von uns nicht proaktiv angeschrieben. Somit ist einer der wichtigsten Standards der Digital Streetwork gegeben: Das Angebot kann komplett freiwillig angenommen werden. Zudem erlegen wir den Nutzer*innen nicht unsererseits eine vermeintliche Bedürftigkeit auf. Mit diesem Grundsatz ist ein pädagogisch professionelles Agieren möglich.
Unsere Art der Kommunikation und Interaktion in der Community beschreiben wir in ihrer Gesamtheit als Empowerment-Speech mit präventiv-pädagogischem Auftrag, kurz Pädagogisches Community Management (PCM). Sie unterscheidet sich z.B. von klassischer Counter-Speech und/oder Gegenrede sowie von einer Moderation, die eher ermahnend, löschend und Diskussionen verhindernd arbeitet.
Wir möchten bewusst mit den Menschen reden, eine gute Debattenkultur fördern und nicht gegenreden. Unsere Interaktion basiert daher auf dem Konzept der Empowerment-Moderation von Marc Ziegele und Dominique Heinbach, das informative, emotionale und soziale Aspekte der Ansprache unterscheidet und zusammenführt:
„Aufbauend auf dem sozialpsychologischen Konzept der sozialen Unterstützung haben wir das KASI-Prinzip entwickelt. Es stellt Redaktionen drei Stile der Empowerment-Moderation zur Verfügung: den kognitiven Stil (K), den affektiven Stil (A) und den sozialintegrativen Stil (SI). Die Stile unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung und in ihrer Ansprache der Nutzenden:
Der kognitive Stil zielt mittels seiner sachlichen Ansprache darauf ab, einen inhaltlichen Mehrwert in Online-Diskussionen zu schaffen, zum Beispiel durch zusätzliche Informationen, Argumente und Perspektiven. Der affektive Stil kann durch seine empathische Ansprache das Selbstwertgefühl der Nutzerinnen und Nutzer steigern, sie dazu motivieren, persönliche Erfahrungen zu teilen und ihre Emotionen und Empathie zu fördern. Der sozial-integrative Stil schließlich will durch seine gemeinschaftsorientierte Ansprache den Austausch der Nutzenden untereinander fördern, ihren Zusammenhalt stärken und für eine angenehme Grundstimmung in der Community sorgen. Alle Stile können, je nach individueller Zielsetzung von Redaktionen, einzeln oder gemeinsam im laufenden Moderationsbetrieb eingesetzt werden.“
Inspirierende und kreative Unterstützung für unsere Moderation holen wir uns außerdem gern von unseren Kolleg*innen aus dem Projekt civic.net über ihren Moderationsguide ModSupport.
Abschließend bleibt zu sagen, dass es innerhalb des Projektjahrs zu keinem One-to-One-Kontakt mit dem pädagogischen Profil kam. Aus unseren zehn Jahren Erfahrung in der Konzipierung, Umsetzung und Erprobung von Digital Streetwork für die unterschiedlichsten Kontexte wissen wir jedoch, dass es mitunter lange dauern kann, bis ein One-to-One-Angebot wahrgenommen, gesehen und dann auch angenommen und genutzt wird. Erschwerend hinzu kommt: Je kleiner die Ressourcen, desto länger dauert eine Etablierung von pädagogischer Online-Arbeit. Da wir nur eine halbe Stelle und weniger als ein Jahr zur tatsächlichen Erprobung des pädagogischen Begleitprofils hatten, liegt es nahe, dass wir Ende 2024 an genau dem Punkt sind, an dem es eigentlich mit mehr Ressourcen weitergehen müsste, um erste Erfolge erzielen zu können.