6. November 2025
Der Verlag Antaios von Götz Kubitschek bei der Frankfurter Buchmesse 2017.
(Quelle: picture alliance / SvenSimon | SVEN SIMON)
Am 8. und 9. November – also ausgerechnet am 87. Jahrestag der Novemberpogrome – soll in Halle an der Saale auf dem Gelände der Halle Messe eine Buchmesse stattfinden, die sich in erster Linie an ein rechtsoffenes bis explizit rechtes Publikum richtet. Rund 90 Austeller*innen haben sich angekündigt. Zum Vergleich: Bei der Frankfurter Buchmesse waren es in diesem Jahr über 4.000.
Unter den Austeller*innen befinden sich neben zahlreichen Verlagen und Selbstverleger*innen auch die rechten bis extrem rechten Magazine Compact, Cato, Junge Freiheit, Krautzone, Sezession, Deutschland Kurier, Tichys Einblick, Zuerst! und Tumult. Für ein positives mediales Echo im politischen Nahfeld sollte also gesorgt sein. Dazu gibt es ein Rahmenprogramm mit Lesungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen und einigem an Prominenz.
Veranstaltet wird die Messe mit dem Namen „Seitenwechsel“ von der Buchhändlerin Susanne Dagen aus Dresden, die gemeinsam mit ihrem Partner Michael Bormann im Stadtteil Loschwitz das Kulturhaus beziehungsweise Buchhaus Loschwitz samt angeschlossenem Verlag gleichen Namens betreibt.
Susanne Dagen ist keine Unbekannte. 2016 beschrieb der Spiegel sie als „pegida-nah“, 2018 wurde sie in das Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung gewählt, aus dem sie jedoch schon bald wieder ausschied. Stattdessen kandidierte sie 2019 erfolgreich für die Freien Wähler für den Dresdner Stadtrat. 2024 wurde sie wiedergewählt und schloss sich daraufhin der Fraktion der AfD an, für die sie als Sprecherin für Kultur und Tourismus fungiert. Außerdem sitzt sie im Stadtbezirksbeirat von Dresden-Loschwitz.
Darüber hinaus veröffentlicht sie seit 2018 in unregelmäßigen Abständen gemeinsam mit Ellen Kositza und wechselnden Gästen auf YouTube Videos unter dem Titel „Aufgeblättert. Zugeschlagen – Mit Rechten lesen“. Zu Gast war unter anderem auch schon Martin Sellner. Ellen Kositza ist die Ehefrau von Götz Kubitschek, dem Inhaber des Verlag Antaios, in dem wiederum 2024 Sellners Buch „Remigration. Ein Vorschlag“ erschien.
Sellner selbst ist für die Messe nicht angekündigt. Dafür jedoch darf Ulrich Vosgerau aus seinem in Susanne Dagens Verlag Edition BuchHaus Loschwitz erschienenen Buch „Chiffre. Correctiv und andere Wirklichkeiten“ vorlesen, in dem er gegen die Arbeit des Medienportals Correctiv polemisiert, das 2023 über das „Geheimtreffen“ von konservativen und extremen Rechten in Potsdam berichtete, bei dem Sellner seine Vorstellungen von „Remigration“ vorstellte. Das Pikante daran: Vosgerau war selbst unter den in Potsdam Anwesenden.
Alle Farben von Blau bis Braun sind vertreten
Vosgerau ist kein Einzelfall. Das gesamte Programm der Messe liest sich wie ein Who-is-Who der Neuen und extremen Rechten. Auch eine Handvoll Querfrontler*innen ist dabei. So wird zum Beispiel der frühere Linke-Abgeordnete Diether Dehm aus seinem Roman „Rebecca“ lesen und der „Münchner Querdenker-Professor“ (taz) Michael Meyen wird über den „Staatsfunk“ sprechen.
Ebenfalls angekündigt sind der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen, die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld und die Millionenerbin Gloria von Thurn und Taxis, die 2001 für einen Skandal sorgte, als sie in einer ARD-Talkshow behauptete, in Afrika sterben mehr Menschen an AIDS, „weil sie zu viel schnackseln. Der Schwarze schnackselt gerne.“ Heute gilt die bayerische Adelige als einflussreiche rechte Netzwerkerin, mit internationalen Verbindungen.
Allen fünf gemeinsam ist, dass sie im Laufe der letzten Jahre oder Jahrzehnte politisch kontinuierlich weiter nach rechts gerutscht sind, während sie gleichzeitig behaupten, die Gesellschaft sei nach links gerückt. Sie passen damit – genau wie Uwe Tellkamp oder Matthias Matussek, die sich ebenfalls angekündigt haben – hervorragend in das Selbstbild der Messe, Autor*innen zu fördern, die „mutig gegen den Strom schwimmen“.
Das klingt interessant, vielleicht sogar sympathisch. In der Praxis jedoch versammeln sich bei „Seitenwechsel“ all diejenigen, die bereitwillig hineingesprungen sind in den rechten Gegenstrom und sich gegenseitig zu ihrer bornierten Anti-Establishment-Haltung gratulieren. In Halle treffen sich Konservative und andere Rechte, die sich selbst als Rebell*innen sehen, während sie sich gleichzeitig in ideologischer Gleichförmigkeit suhlen.
Das spiegelt sich auch in den Verlagen wider, die auf der Messe vertreten sind. Es ist ein Generationentreffen gelebter Gegnerschaft zur liberalen Demokratie. Alteingesessene rechte Verlage wie der bereits 1946 gegründete Gerhard Hess Verlag aus Baden-Württemberg oder der 1982 in Freiburg ursprünglich in einem linken Milieu gegründete Ahriman Verlag treffen auf etablierte neurechte Verlage wie den bereits erwähnten Verlag Antaios (gegründet 2000 als Edition Antaios) und vergleichsweise neue Projekte aus dem Umfeld der Identitären Bewegung wie Oikos, Jungeuropa und Hydra Comics.
Was die Messe „Seitenwechsel“ trotz ihrer überschaubaren Größe so bedeutend macht, ist, dass sie sehr unterschiedliche Milieus zusammenbringt. So wird die bürgerlich scheinende Bibliothek des Konservatismus aus Berlin genauso vertreten sein wie der Sturmzeichen Verlag aus Dortmund, der das Magazin N.S. Heute herausgibt, laut apabiz „eine zentrale Publikation der neonazistischen Szene“.
Abwesend anwesend: die AfD
Bemerkenswert ist auch, wer nicht auf der Messe vertreten ist. So fehlt der Deutsche Stimme Verlag der Partei Die Heimat (früher NPD) genauso wie der Nordland-Verlag von Thorsten Heise, der bei Die Heimat im Bundesvorstand sitzt. Auch der verschwörungsideologische Kopp-Verlag wird nicht vertreten sein. Während es bei letzterem keinen erkennbaren Grund für ein Fernbleiben gibt, denn immerhin inseriert der Verlag regelmäßig in etlichen der vertretenen Zeitungen und Zeitschriften, dürfte es bei Die Heimat vor allem um parteipolitische Konkurrenz gehen. Denn obwohl die AfD selbst überhaupt nicht in Erscheinung tritt, ist sie doch auffallend präsent.
So gehört zum Beispiel der bereits erwähnte Gerhard Hess Verlag seit 2023 dem ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordnetem Volker Münz und weist seither eine auffällige Nähe zur Partei auf. Unter anderem sind dort seither die Festschrift zum zehnjährigen Jubiläum des Zusammenschlusses „Christen in der AfD“ und das programmatisch betitelte Buch „Umerziehungsrepublik Buntland“ des baden-württembergischen AfD-Kommunalpolitikers Thomas Hartung erschienen.
Der Österreicher Gerald Grosz, ehemals Mitglied der rechten Parteien FPÖ und BZÖ, hat ebenfalls eine Verbindung zur AfD. Er soll aus seinem Buch „Merkels Werk – Unser Untergang“ lesen, das im Leopold Stocker Verlag aus Graz erschienen ist. Dieser ist nicht selbst auf der Messe vertreten, wohl aber dessen Tochterunternehmen Ares Verlag. Dort erscheinen Bücher von etlichen Säulenheiligen der Neuen Rechten, wie Alain de Benoist oder Armin Mohler. Grosz hat dort ebenfalls bereits mehrere Bücher veröffentlicht. 2023 hielt er eine Rede beim politischen Aschermittwoch der AfD im bayerischen Osterhofen, bei dem er Markus Söder als „Södolf“, „Corona-Autokrat“ und „Landesverräter“ bezeichnete.
Am Sonntag wird Artur Abramovych, Vorsitzender der Bundesvereinigung Juden in der AfD, über sein Buch „Ahasvers Heimkehr. Lehren aus der Diaspora“ sprechen. Erschienen ist es bei Edition BuchHaus Loschwitz. Seine Mitgliedschaft in der AfD und seine Rolle in der Bundesvereinigung werden in der Ankündigung jedoch nicht erwähnt.
Auch Benedikt Kaiser, der unter anderem im von Philip Stein, dem Vorsitzenden von Ein Prozent e.V., geführten Jungeuropa Verlag veröffentlich hat, soll einen Vortrag halten. Kaiser war früher Mitarbeiter des ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl. Laut Welt soll er sich darüber hinaus früher im Umfeld der später verbotenen „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ und der neonazistischen Hooligangruppe „New Society 2004“ bewegt und auch an Demonstrationen der NPD teilgenommen haben.
Schließlich wäre da noch Hydra Comics aus Dresden. Der Name des rechten Comicverlags bezieht sich auf das Marvel-Universum, in dem Hydra eine faschistische Terrororganisation, die – zumindest in den klassischen Erzählungen – von Red Skull, dem Nazi-Gegenspieler von Captain America gegründet worden ist. Die Grußformel der Organisation lautet „Hail Hydra!“
Hydra Comics wird von Michael Schäfer betrieben, der früher Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationalisten war und laut apabiz ebenfalls an der extrem rechten Initiative Ein Prozent e.V. beteiligt ist. 2022 vergab der damalige AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp ein Stipendium an den Verlag.
Wohin man auch schaut, die AfD scheint nie wirklich weit weg zu sein – ein Zeichen dafür, wie eng die Partei inzwischen auch mit rechten und extrem rechten Strukturen verbunden ist, zu denen sie anfangs noch versucht hatte, eine gewisse Distanz zu waren. Heute hingegen stehen Politiker und ehemalige Mitarbeiter der AfD mit ihren Verlagen ganz offen auf derselben Messe wie N.S. Heute.
Verschwörungsmythen und Wutbürgertum im Selbstverlag
Einige Stände auf der Messe werden von Selbstverleger*innen betrieben. Einer davon ist Michael Wolski aus Berlin, der sein Buch „1989 Mauerfall Berlin. Zufall oder Planung?“ vorstellt. In diesem stellt er das Ende der DDR als von Moskau aus geplante Verschwörung dar. „DDR-Funktionäre und Offiziere“, so der Werbetext, hätten den Staat gezielt „im Auftrag und unter Regie sowjetischer Geheimdienste“ abgewickelt.
Gegenüber der Mitteldeutschen Zeitung erklärte er, worauf sich sein Verdacht ursprünglich begründete. Im Januar 1990 nämlich hätte sein US-amerikanischer Arbeitgeber ihm gesagt, die DDR werde es „sowieso nicht mehr lange geben“. Niemand, so Wolski, habe zum damaligen Zeitpunkt schon über die deutsche Einheit gesprochen. Tatsächlich hatte Bundeskanzler Helmut Kohl bereits am 28. November 1989 ein „Zehn-Punkte-Programm zur Überwindung der Teilung Deutschlands und Europas“ vorgelegt und eine Vereinigung beider deutscher Staaten wurde zum fraglichen Zeitpunkt sehr wohl offen diskutiert.
Auch Hans-Wolff Graf macht keine halben Sachen. Auf seiner Internetseite präsentiert er ganz unbescheiden von ihm entworfene „Alternative Konzepte für ein völlig neues Staatswesen“. In diesen spricht er sich zwar prinzipiell für Immigration aus. Migrant*innen sollen sich jedoch der „kulturalen Ordnung unterwerfen“ und „bestehende soziale Strukturen [dürfen] nicht unbotmäßig und ‚kolonialistisch‘ entfremdet werden“.
Graf ist bereits lange im Geschäft. Bereits 1997 veröffentlichte er das esoterische Lebenshilfebuch „Die Seelenkönigin. Der Weg zur inneren Klarheit“ im Verlag Bastei Lübbe. Während der heißen Phase der Covid-19-Pandemie suchte er offenbar Anschluss an die Querdenken-Szene und veröffentlichte auf seinem Blog die üblichen Verschwörungsmythen.
Ebenfalls vertreten ist der promovierte Atomphysiker Hans Hofmann-Reinecke, der wie Graf aus München stammt, aber inzwischen nach eigenen Angaben in Kapstadt lebt. Seit 2020 arbeitet er sich in einer Reihe selbstverlegter Bücher vor allem an den Grünen ab.
Der Karikaturist Bernd Zeller aus Jena hingegen scheint sich eher an Angela Merkel zu stören. Gleich drei seiner zahlreichen Bücher sind der ehemaligen Kanzlerin gewidmet. Zeller war bis März 2020 Kolumnist bei der linken Tageszeitung Neues Deutschland (heute: nd). Von April 2020 bis Juni 2022 zeichnete er Cartoons für die AfD-Mitgliederzeitschrift AfD Kompakt.
Anhand der Einzelaussteller wird besonders deutlich, was sich bei den regulären Verlagen bereits andeutet: In Halle treffen durchaus seriöse Rechts-Konservative auf das, was man im Englischen als lunatic fringe bezeichnet. Verschwörungsdenken, Querfront und Esoterik – alles ist erlaubt, solange es nur gegen die liberale Demokratie als gemeinsamen Feind geht.
Rechte Netzwerke und Parallestrukturen
Dass die Messe „Seitenwechsel“ ausgerechnet auf dem Gelände der Halle Messe stattfindet, scheint indes kein Zufall zu sein. Betrieben wird diese von der Zwerenz Gruppe aus Dresden, zu deren Firmenverbund auch die drei „Servicepartner“ der Messe, die Dresdner Firmen Impuls, creatyp und MAE Systems, gehören. Ebenfalls zur Zwerenz Gruppe gehört die Messe Gießen, und dort wiederum fand Anfang November das Gründungstreffen der Generation Deutschland, der neuen Parteijugend der AfD, statt. Im Januar 2025 fand in der Halle Messe der Wahlkampfauftakt der Partei zur Bundestagswahl statt.
Die Messe „Seitenwechsel“ zeigt, dass sich in Deutschland inzwischen rund um die AfD ein rechtes Ökosystem etabliert hat, das vielfach in der Lage ist, Parallelstrukturen und Alternativangebote anzubieten zu dem, was als „links-grüner Mainstream“ abgelehnt wird. Selbst wenn die AfD eines Tages verboten werden sollte, der Rest des Netzwerks bliebe bestehen.
Es scheint daher ratsam, sich nicht auf die Partei allein zu konzentrieren, sondern auch die anderen Akteur*innen innerhalb dieses Netzwerks in den Blick zu nehmen. Der breite zivilgesellschaftliche Protest, der für das Wochenende in Halle in Form eines Kulturfestivals und einer antifaschistischen Demonstration angekündigt ist, ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gehen kann.