12. September 2025
(Quelle: Screenshots)
Inhaltswarnung: Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit und Menschenfeindlichkeit
Seit der Übernahme durch Elon Musk ist X, ehemals Twitter, zu einem Hotspot rechtsextremer Hetze geworden, auch im deutschsprachigen Raum. Ein Account sticht dabei besonders hervor: RealWuppi, beziehungsweise Wuppi. Stolz präsentiert der User das Zitat „Orchestriert rechtsextreme Kampagnen“ in seiner Biografie.
Und tatsächlich orchestriert Wuppi, der mit echtem Namen Patrick Kolek heißt, digitale Hetzjagden auf politische Gegner*innen. Noch im Juli 2025 bestätigte der Rheinländer gegenüber Correctiv, dass er AfD-Mitglied ist. Außerdem, so Kolek, sei er „selbstständiger Vorfeld-Kampagner“ und „Social Media Betreuer“ und mit dieser „Arbeit“ gut ausgelastet.
„Mitglied seit 2017“
Der Mitte Dreißigjährige sei politisch schon immer dort zu verorten, wo er auch jetzt stehe, gab Kolek in einem Gespräch 2023 an. „Ich bin schon seit der fünften Klasse der Nazi“. Kolek, der offenbar eine polnische Migrationsbiografie hat, habe früher die CDU und FDP gewählt. Bei der AfD ist er „Mitglied seit 2017“.
Auf X tritt der Mann aus Nordrhein-Westfalen mit der Abbildung eines Otters auf, derzeit in Kombination mit einer Schwarzen Sonne, auf gebogenen AfD-Pfeilen. Das erinnert sicherlich nicht zufällig an ein Hakenkreuz. Kolek rief auf X dazu auf, keine Hakenkreuze zu verwenden: „Nutzt eigene, neue Symbole :-)“, fordert er seine Anhänger*innen auf. Er beherrscht das Spiel der rechtsextremen Trolle: Mit Andeutungen arbeiten, behaupten, alles sei Humor und man nutze nur die Werkzeuge der politischen Gegner*innen.
Instrumentalisierung des Rechtsstaats
Wie bei Rechtsextremen üblich, wendet auch Kolek gerne die Instrumente des Rechtsstaats an, um sich gegen ihn zu richten. So versucht er offenbar, mit Anzeigen Druck zu erzeugen und Menschen einzuschüchtern. Bis Juli seien es insgesamt 64 gewesen, gibt er in einer Erklärung an. Viele der Anzeigen sind öffentlich und betreffen angebliche Volksverhetzung oder verbotene Symbole, berichtet Correctiv. So zeigte Wuppi etwa den Stern wegen eines Hakenkreuzes auf dem Titelblatt oder Karl Lauterbach wegen eines vermeintlichen Hitlergrußes an. Eine Staatsanwaltschaft, bei der 19 solcher Anzeigen eingingen, erklärte, viele Verfahren seien eingestellt oder gar nicht aufgenommen worden, schreibt Correctiv.

Digitale Hetzjagd
Kolek scheint eine maßgebliche Figur hinter jüngsten Diffamierungs-Kampagnen gegen politische Gegner*innen, Sozialpädagog*innen, Lehrer*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Jurist*innen auf X zu sein. Er veröffentlicht persönliche Daten und hetzt einen rechtsextremen digitalen Mob auf Menschen, die sich offen gegen rechtsextreme Ideologie aussprechen.
Online Mob oder Sockenpuppen-Accounts?
Neben Wuppi beteiligen sich noch weitere Accounts an den digitalen Hetzjagden. Allerdings wirken diese Profile wie Sockenpuppen-Accounts. Also Accounts, die alle von der gleichen Person betrieben werden. So kann der Eindruck erweckt werden, eine breite Troll-Armee stehe hinter den Attacken, obwohl tatsächlich viele Beiträge aus wenigen Händen stammen. So entsteht eine künstlich aufgeblähte rechte Gegenöffentlichkeit.
Mit seinem vermeintlichen Online-Mob sucht sich Kolek Menschen heraus, die öffentlich eine Meinung vertreten, die Kolek nicht akzeptiert. Er ruft Anhänger*innen dazu auf, ihm „Fälle“ (gemeint sind hier politisch unliebsame Menschen) und deren Daten zu schicken. Kolek und seine Anhänger*innen kontaktieren dann die Arbeitgeber und Institutionen, mit denen ihre Zielpersonen in Verbindung stehen. So bauen sie enormen Druck auf: „Mobbing ist die Korrektur für behindertes verhalten“ schreibt er auf X.
Das, was Kolek hier betreibt, ist eindeutig Hetze und Mobbing. Er selbst bezeichnet diese Rufmord-Kampagnen jedoch als Journalismus – das ist absurd und eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Seine Aktionen laufen oft unter dem Hashtag #RedaktionsnetzwerkRechts. Seine digitale Menschenjagd wird nicht selten von extrem rechten Journalist*innen oder Medien wie Julian Reichelts Kampagnenorgan „Nius“ aufgegriffen und weiter verstärkt.

„Weiße Menschen brauchen keine Sprechverbote“
Es scheint paradox, dass Kolek stets freie Rede einfordert: Nichts, was man sagt, solle sanktionswürdig sein, also dementsprechend auch nicht Volksverhetzung und Holocaustleugnung. Gleichzeitig greift er jene Menschen an, die Dinge sagen und schreiben, die nicht in sein rechtsextremes Weltbild passen. Es wird deutlich: Rechtsextreme fordern maximale Freiheit, die aber nur für sie selbst gelten soll.


Demokratische, humanistische und linke Ansichten sollen sanktioniert werden
Politisch Andersdenkende sollen eingeschüchtert werden, sie sollen aus dem Diskurs verdrängt werden. Da, wo früher in der Öffentlichkeit Rechtsextremismus sanktioniert wurde, soll jetzt linkes, demokratisches, humanistisches Denken sanktioniert werden. Seine Opfer, und jene Menschen, die diese Hetzjagden am Rand beobachten, sollen so weit eingeschüchtert werden, sich nicht mehr öffentlich für demokratische und linke Werte zu positionieren.
„Weiße Menschen brauchen keine Sprechverbote“, schreibt Kolek auf X. Besonders sein Rassismus und sein Machtanspruch einer weißen Rasse werden auf seinem Profil derart eindeutig zur Schau gestellt, wie selten bei AfD-Personal. Kolek impliziert, Schwarze Menschen seien aus genetischen Gründen weniger intelligent als weiße. Stets macht er sich in Wort und Bild über Schwarze, PoC, Jüdinnen*Juden und behinderte Menschen auf herabwürdigende Weise verächtlich.

AfD-Mitglied spielt Hinrichtung von El Hotzo nach
Kolek spielt auf X auch mit angedeuteten Todesdrohungen, die als Androhung von Gewalt gelesen werden müssen. Am Dienstag, dem 9. September, veröffentlichte Erik Ahrens, einst Kampagnen-Stratege für den AfD-Politiker Maximilian Krah mit ehemals guten Kontakten ins neurechte politische Vorfeld, ein bisher unveröffentlichtes Video auf X. In dem Video sieht man Kolek mit einer Maske des Satirikers „El Hotzo“ vor einer Person mit Pepe der Frosch Maske – einem Symbol der Alt-Right-Bewegung, das auch in Europa von Rechtsextremen verwendet wird – und Baseball-Schläger, davonrennen. Schließlich kniet Kolek, mit El Hotzo-Maske, gefesselt am Boden. Durch den Sound arabischer Klänge, vermittelt das Video den Eindruck einer IS-Hinrichtung. Das Video endet mit einem angedeuteten Kopfschuss, durch das rechte Auge in der Maske. Beteiligte im Video waren Patrick Kolek, Erik Ahrens und der rechtsextreme Aktivist der Identitären Bewegung Dennis Braun, der auf Social Media unter „ArminusDD“ auftritt.
Warum postet Ahrens dieses eventuell strafrechtlich relevante Video? Ahrens, der jahrelang tief in der rechten Szene involviert war und mutmaßlich den AfD-TikTok-Wahlkampf (TikTok-Guerilla) aufgebaut hat, behauptet seit einigen Wochen, aus der rechten Szene ausgestiegen zu sein, ein echter Ausstieg würde jedoch anders verlaufen. Ahrens veröffentlicht nun in regelmäßigen Abständen, bisher meist unbelegte, aber dennoch brisante Informationen aus dem neurechten Lager. Wie etwa, dass im Umfeld der rechtsextremen Frauengruppe Lukreta eine Aktivistin von einem Kameraden vergewaltigt wurde. Ahrens gibt an, dass die Lukreta-Anführerin Reinhild Boßdorf darüber Bescheid gewusst habe. Statt sich solidarisch an die Seite des Opfers zu stellen, soll Boßdorf sich laut Ahrens’ unbelegbarer Aussage, über die betroffene Frau lustig gemacht haben. Auf Wahrheitsgehalt lässt sich das nicht prüfen. Hingegen scheint das gestellte Hinrichtungs-Video authentisch. Es verdeutlicht abermals die mörderische Ideologie rechtsextremer Weltbilder.
Obwohl Rassismus und Menschenfeindlichkeit elementar für die Ideologen der AfD und ihrer Anhänger*innen sind, dürfte Kolek mit seinen Posts als Wuppi dennoch die Grenze dessen überschreiten, was für die AfD noch zu tragen ist. Denn die offensichtliche Menschenverachtung könnte für die AfD zum Problem werden, die sich im öffentlichen Diskurs gerne als „normal“ und „bürgerlich“ gibt. Doch am gestellten Hinrichtungs-Videos und dem recht offenen Bekenntnis zur klassischen Rassen-Ideologie samt Parteimitgliedschaft, dürfte dem akribisch aufgebauten Image der bürgerlichen Parteispitze samt Perlenkette diametral entgegenstehen.

Und dabei ist Kolek nicht nur Parteimitglied, er stand noch 2020 auf Listenplatz 11 der AfD in Köln Chorweiler für die Kommunalwahlen. Damals wurde er von der AfD als Referent der Kölner AfD-Ratsfraktion vorgestellt. Ein Dokument gibt an, dass Kolek seit 2017 AfD-Mitglied und Schatzmeister der ehemaligen AfD-Jugendorganisation (JA) in Köln ist oder war. Noch in diesem Jahr besuchte er den JA-Bundeskongress in Apolda. Ende März hat die AfD die JA aufgelöst. Nun soll bis Ende des Jahres eine neue Jugendorganisation aufgebaut werden. Kolek hat bereits Vorschläge für ein neues Logo, die wohl nicht zufällig an die Hakenkreuz-Flagge der Nazis erinnern.

Wuppi der „Soldat der Partei“
In einem Video von 2023 gab Kolek an, Betreiber des Twitter-Accounts der AfD Wuppertal zu sein. Der Account wird jedoch seit Herbst 2023 nicht mehr bespielt. Er sei einfach ein „Soldat der Partei“, so Kolek. Angesprochen auf sein konkretes Wirken antwortet er, in einer Fraktionssitzung habe man überlegt, dass jemand die Partei online „großartig vertreten“ solle. Wuppi schlug damals eine deutlich persönlichere Ansprache vor. Er meint, dass „seine“ Partei daran kränkelt, nicht nahbar zu sein, das habe er mit seinem Twitter-/X-Aktivismus ändern wollen.
Und das zeigt, was Kolek, vielleicht stellvertretend für viele seiner AfD-Kamerad*innen für „nahbar“ hält, nämlich Hass, Hetze und Häme, statt Respekt, Mitgefühl und Empathie. Koleks Vorgehen erinnert stark an jenes Zitat aus einem Strategie-Papier des rechten Vorfeldes, in dem es heißt: „Trolle den Fick aus ihnen heraus“, aus dem „Handbuch für Medienguerillas“, eine Anleitung für rechtsextreme Troll-Kampagnen. Kolek meint, die AfD müsse stärker auf rechtsextreme Creator setzen und enger mit dem politischen Vorfeld zusammenarbeiten.
Das Radikalitätsproblem der AfD: Was ist die vermeintliche Mitte bereit zu tolerieren?
An der Causa Wuppi wird jedoch ein Problem der AfD sichtbar: Sie will nach außen ein größeres, vermeintlich bürgerliches Publikum erreichen, weniger radikal auftreten, um weitere Wähler*innen für sich zu gewinnen. Gleichzeitig braucht sie jene Partei-Soldaten, die die hässlichen Social-Media-Kampagnen betreiben, also das politische Vorfeld.

Mittlerweile zeigt sich Kolek verantwortlich für die Website „STLZ Media“, eine Agentur, die die queerfeindliche Kampagne „Stolzmonat“ als rechtsextremes Pendant zum Pride Month darstellt und Kampagnen erarbeitet. Noch zum Ende 2024 hat er hier als verantwortliche Adresse den Löwenzahnweg in Köln angegeben, die Anschrift des AfD-Mannes Günter Witzmann, der 2017 für Köln Chorweiler kandidierte. Bis Ende August war dann als Kontakt die Adresse Edisonstraße 2 in Chemnitz angegeben. Eine Immobilie, die seit 2023 im Besitz einer Unternehmensgesellschaft zweier Aktivisten der Identitären Bewegung ist. Hier waren auch die beiden Firmen von Erik Ahrens angesiedelt, „Blitzwissen“ und „GegenUni“. Für diese beiden Unternehmen zeigt sich mittlerweile Heinrich Nikolai Mahlig verantwortlich, aktiv in der Marburger Burschenschaft Germania, seit 2017 war er Regionalleiter der Identitären Hessen. Die Immobilie in Chemnitz wird seither als Rückzugs-, Tagungs- und Vernetzungsort der Szene rund um die IB genutzt. Mittlerweile hat Kolek als Kontakt auf der Stolzmonat-Seite eine Adresse in Koblenz angegeben.
AfD arbeitet mit Koleks Kampagnen-Agentur zusammen
Kolek erklärt, seine Agentur habe bereits mehrere Aufträge von der AfD erhalten und diese „zur vollsten Zufriedenheit“ bearbeitet. Damit zeigt sich, dass Koleks Aktivitäten nicht nur private Hass-Obsessionen sind, sondern gezielt auch von der AfD genutzt und unterstützt werden. Durch die Zusammenarbeit verschafft die Partei seinem Vorgehen zusätzliche Legitimität und Reichweite und macht sich zugleich zum aktiven Teil seines Systems aus Anzeigen, Mobbing-Kampagnen und öffentlicher Menschenverachtung.

Der Fall Patrick Kolek alias „Wuppi“ macht deutlich, wie eng die AfD mit dem neurechten digitalen Milieu verwoben ist. Offiziell präsentiert sich die Partei gerne als bürgerlich-konservativ, doch zugleich profitiert sie von jenen Kadern, die im Netz den schmutzigen Teil der politischen Auseinandersetzung übernehmen: Hetze, Mobbing, Desinformation und Einschüchterung. Kolek steht dabei exemplarisch für eine Strategie, die nicht nur politische Gegner*innen zum Schweigen bringen soll, sondern auch die Grenzen des Sagbaren Schritt für Schritt nach rechts verschiebt. Dabei ist Kolek wohl ein Akteur mit AfD-Parteibuch, der derart offen seine rechtsextreme Ideologie aufzeigt wie wenige.
Andere Personen, die selbst für AfD-Verhältnisse derart gefährdend für ein friedliches Image waren, wurden längst ausgeschlossen. Das zeigt zwei Dinge: Zum einen, wie weit die AfD sich bereits radikalisiert hat, zum anderen, wie zentral die rechtsextremen Kampagnen unter Wuppi für die AfD sind. Letztlich bleibt: Patrick Kolek ist gefährlich. Auch wenn sein Aktionsraum das Internet ist, handelt es sich um Gewalt, die er ausübt.
Mit Recherche-Material von „Gegen die AfD“