16. November 2025
Wenn man längere Zeit in Köln unterwegs ist, fällt ein kleines Wort auf, das im Alltag überall auftaucht. Es steht auf Büdchen, hört sich auf der Straße, im Stadion, bei der Arbeit, beim Bäcker. Es ist ein Wort, das gleichzeitig unkompliziert wirkt und tief sitzt: „mer“.
Im Hochdeutschen wäre das einfach „wir“. Aber im Kölschen ist „mer“ mehr als nur eine grammatische Form. Es ist ein kleines Wir mit großer Wirkung.
Ein offenes Wir
Das Rheinische Wörterbuch des LVR erklärt:
- „mer“ bezeichnet die Gemeinschaft der Sprechenden, oft mit einladendem Charakter.
Das heißt: Wenn in Köln jemand sagt „Mer jonn jetz“, ist damit nicht automatisch gemeint, dass alle schon genau wissen, wohin der Weg führt. Es heißt viel eher: „Wir bewegen uns gemeinsam. Komm ruhig mit – du gehörst dazu.“
Das kölsche „mer“ schließt ein, statt abzugrenzen.
Alltagsszenen
Im Büdchen:
„Häs du och Hunger?“
„Jo, mer holle uns jet vom Grill.“
Beim FC:
„Mer stonn zo dir FC Kölle.“
– zumindest bei der Hymne.
Im Veedel:
„Mer helfe uns.“
Wenn die Nachbarin was braucht, wird nicht groß diskutiert. Es lebe der Klüngel!
Das Wort kommt wie selbstverständlich. Keine Pose, kein Pathos. Ein Sprachreflex aus einer Stadt, in der Nähe eine Währung ist.
Historischer Hintergrund
Im Mittelalter war Köln Handelsstadt, Durchgangsort, Treffpunkt vieler Dialekte. Sprache musste alltagstauglich und sozial funktional sein. Das Kölsche entwickelte sich als Stadtsprache, die Gemeinschaft in einer großen, lebendigen Stadt organisierte.
Das „mer“ passte zu einem Ort, an dem Menschen sich gemeint fühlen wollen, selbst wenn sie sich nicht kannten.
Aus dem Verliebt in Köln-Shop:
Ein Wort wie ein Händedruck
- „mer“ klingt weich. Es hat keine Ecken. Kein stolzes „wir“, kein distanziertes „man“.
- Es ist freundlich, offen, unaufgeregt.
Kölsch nimmt hier etwas vorweg, was heute oft als modernes Kommunikationsideal beschrieben wird: Sprache, die Nähe baut.
Wenn man das „mer“ hört…
…weiß man ziemlich schnell, wo man ist.
Man steht wahrscheinlich irgendwo zwischen Dom, Büdchen, Kneipe, Rhein, Veedel und Alltag.
Und vielleicht sagt irgendjemand:
„Kumm, mer jonn.“ Und ohne nachzudenken, geht man mit.
Zum Thema:
Verliebt in Köln
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