Mario Müller: Rechte Influencer auf Propagandareise bei den Taliban

30. October 2025


Die Reisegruppe nach Afghanistan von links nach rechts: Jonathan Stumpf, Stefan Thöny, Kevin Kiessbauer, Timm Kaufmann, Mario Müller, Martin Schieck.

(Quelle: Screenshot Instagram)

Knapp zehn Tage verbrachte eine Reisegruppe um den Neonazi und Mitarbeiter eines AfD-Bundestagsabgeordneten, Mario Müller, im September in Afghanistan. Im Programm: geführte Touren durch Kabul, lokale Küche, Sightseeing auf Teppich-Märkten und bewaffneter Begleitschutz durch Taliban-Kämpfer. Mit dabei waren laut einer Recherche von Rhein-Main Rechtsaußen unter anderem der rechte Ukraine-Veteran Jonathan Stumpf, Stefan Thöny, Identitärer aus der Schweiz, Martin Schieck, Mitarbeiter des AfD-Politikers Björn Höcke, sowie Timm Kaufmann vom IB-nahen Filmkollektiv aus Görlitz. Die Reise war Teil einer koordinierten Kampagne, inszeniert, um Afghanistan als „sicheres Herkunftsland“ darzustellen und Abschiebungen zu legitimieren.

Ideologische Reise statt Abenteuerurlaub: Remigration und Ethnopluralismus

Organisiert wurde die Tour laut Rhein-Main Rechtsaußen vom AfD-Funktionär Marius Kaul und seiner Firma Zeitgeist BC. Kaul war schon an früheren Projekten der „Alternative Help Association“ (AHA) beteiligt, einer Tarnorganisation der Identitären Bewegung, die „Hilfsreisen“ nach Syrien durchführte. Mit dem Ziel, Propagandamaterial zu erzeugen, um Stimmung gegen geflüchtete Menschen in Europa zu machen.

(Screenshot Website)

Auch die jüngste Afghanistan-Reise diente wohl nicht nur dem Kriegsfetisch dieser Männer, sondern wird gezielt für rassistische Propaganda instrumentalisiert: Zum einen soll das krisengebeutelte Land als sicher dargestellt werden, um so zu begründen, dass Menschen aus Afghanistan, die in Deutschland Asyl beantragt haben, problemlos zurückgeführt werden können. In der rechtsextremen Terminologie heißt das „Remigration“.

Zum anderen diente die Reise dazu, aus erster Hand erzählen zu können, dass die afghanische Kultur der deutsch-europäischen diametral entgegenstünde und nicht vereinbar sei. „Die kulturellen Unterschiede sind enorm“, so Müller in einem Livestream der rechtsextremen Identitären Bewegung im Oktober 2025 zu seiner Reise. Vielleicht sei es doch ganz gut, wenn jeder an seinem Platz in der Welt bleibe. Diese Aussage fasst die Kernideologie des Ethnopluralismus zusammen, die Müller seit Jahren propagiert: Kulturen müssten voneinander getrennt bleiben, um Konflikte zu vermeiden. Was nach „Vielfalt“ klingt, ist nichts anderes als ein pseudointellektuell verpackter Rassismus, der Migration und gesellschaftliche Gleichberechtigung ablehnt.

Hinter fünf Meter hohen Mauern ist es in afghanischen Hotels sicher

In dem Stream plaudert Müller in lockerem Ton über seine Afghanistan-Reisen. Er habe „den nettesten Taliban der Welt“ kennengelernt, aber die Toilettensituation sei übel gewesen. „Afghanistan ist viel sicherer geworden“, sei mittlerweile wieder bereisbar, dank der Taliban. Der „Sicherheitslage angemessen“ sei die Gruppe laut Müller stets in Hotels untergebracht worden, die oftmals von „fünf Meter hohen Mauern“ umgeben waren und von „bewaffnetem Sicherheitspersonal“ bewacht wurden.

Vom Neonazi zum Strategen der Neuen Rechten

Mario Müller ist kein unbeschriebenes Blatt. Der in 1988 in Bremen geborene Müller stammt aus dem niedersächsischen Kameradschaftsumfeld und war in der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ aktiv. 2013 wurde er wegen eines Angriffs auf einen Antifaschisten verurteilt und stieg später zur Führungsfigur der rechtsextremen Identitären Bewegung Deutschland auf. Seit 2019 schreibt er regelmäßig für das rechtsextreme COMPACT-Magazin. 2022 wechselte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Bundestag, zum AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt.

Mario Müller in Afghanistan. (Quelle: Screenshot YouTube)

Beim sogenannten „Remigrations-Geheimtreffen“ im November 2023 in Potsdam war Müller einer der Redner. Laut Correctiv brüstete er sich damit, für einen gewalttätigen Übergriff auf einen Antifaschisten mitverantwortlich zu sein. Den Quellen der Correctiv-Redaktion zufolge sagte Müller hier auch, dass er nicht nur die Antifa als Feind begreife, sondern auch Politiker*innen, linke Zivilgesellschaft und Journalist*innen. Er bestreitet das.

Rechte illustre Reisegruppe

Neben Müller nahm eine Reihe einschlägig bekannter Akteure der extremen Rechten an der Afghanistan-Reise teil. Jonathan Stumpf tritt heute als „Libertärer“ und Journalist auf und bewegt sich im Umfeld der Identitären Bewegung. Er publiziert in Magazinen wie Krautzone und Freilich. Der „Ukraine‑Veteran“ zeigt sich auf Social Media stolz an der Front im Ukraine-Krieg, beim Abfeuern von Maschinengewehren oder Raketen. In einem Interview von 2025 behauptet er, er habe sich „vor vielen Jahren vollständig“ von der „rechten Szene“ verabschiedet. Seine rechtsextreme Reisegesellschaft lässt anderes vermuten.

Johannes Stumpf posiert mit Taliban-Flagge. (Quelle: Screenshot Instagram)

Ebenfalls dabei waren Stefan Thöny, identitärer Aktivist aus der Schweiz, und Martin Schieck, Neonazi und heute offenbar noch immer Mitarbeiter des AfD-Politikers Björn Höcke, der in Thüringen Schlüsselfigur des völkisch-nationalistischen Parteiflügels ist. Bilder vom 1. Mai 2017 zeigen Schieck neben Stephan E., dem späteren Mörder von Walter Lübcke in Erfurt auf einer AfD-Kundgebung von Höcke. „Der damals noch als Identitärer mitlaufende Martin Schieck begann wenig später als Fotograf und Filmer für Björn Höcke zu arbeiten“, schrieb das Rechercheportal Jena-SHK. Ein halbes Jahr später, am 12. Dezember, und erneut vier Monate später, spendete Stephan E. der Identitären Bewegung 100 Euro.

Die Reise wird auf Instagram dokumentiert. (Quelle: Screenshot Instagram)

Mit Timm Kaufmann, Mitbegründer eines IB-nahen Filmkollektivs aus Görlitz, war zudem ein medienerfahrener Propagandist an der Reise beteiligt, der Bildmaterial und Videoinhalte für rechte Kanäle produziert. Kaufmann ist der Sohn eines ehemaligen AfD-Stadtrats aus Görlitz, der früher im diplomatischen Dienst tätig war und die Partei verließ, da sie ihm „zu lasch“ und zu links“ sei.

Komplettiert wurde die Gruppe durch Kevin Kiessbauer, Aktivist der Identitären Bewegung und Mitglied der völkischen Burschenschaft Normannia Jena, die seit Jahren durch antisemitische und gewaltverherrlichende Vorfälle auffällt. Gemeinsam bilden sie ein Netzwerk von Aktivisten, Funktionären und Medienakteuren, das die ideologische und personelle Kontinuität der extremen Rechten über Ländergrenzen hinweg sichtbar macht.

Urlaubsfotos als Propaganda

Auf den Social-Media-Kanälen der offiziellen Tourismusagentur Afghanistans unter Kontrolle der Taliban tauchten kurz nach der Reise mehrere Fotos auf: Müller und seine Mitreisenden beim Mittagessen, beim Sightseeing, freundlich posierend neben Taliban-Kämpfern. Auch auf ihren privaten Kanälen posten sie Reisebilder, manchmal auch martialische, mit Kalaschnikow-Gewehren in den Händen.

Diese Inszenierung folgt einer klaren Logik: Afghanistan soll als „sicheres Herkunftsland“ dargestellt werden, um Abschiebungen aus Deutschland zu rechtfertigen. Rechte Influencer reisen dorthin, um symbolisch zu zeigen: ‚Wenn wir dort Urlaub machen können, können Geflüchtete auch dorthin zurück‘. „Remigration nach Afghanistan ist absolut machbar und auch moralisch legitim“, so Müller.

Ein globaler Schulterschluss der Rechten

Die Afghanistan-Tour ist kein Zufall, sondern Teil einer länger geplanten internationalen Vernetzung. Schon die Syrien-Reisen der AHA in den 2010er-Jahren dienten demselben Zweck: Rechte Politikerinnen, Influencer und Journalistinnen sollten sich als „hilfsbereite Patrioten“ inszenieren und dabei Fluchtursachen relativieren.

Nachdem Müller zuvor womöglich an Reden und kleinen Anfragen für einen AfD-Bundestagsabgeordneten schreibt, posiert er wenige Wochen später mit islamistischen Fundamentalisten vor der Kamera. Der Widerspruch ist nur scheinbar: Beide Ideologien teilen ein Weltbild, das auf Autorität, Antifeminismus und ethnische Homogenität setzt.

In dem Livestream der Identitären Bewegung sagt Müller zum Grund dieser Reise, er wollte prüfen, ob es „wirklich unmöglich und völlig unmoralisch (ist), einen guten Teil von denen, wieder nach Hause zu schicken“, da, so seine Behauptung, Afghanen überproportional häufig für Gewaltdelikte in Deutschland verantwortlich seien.

Schutz der Frauen? Für Rechtsextreme belanglos

Die Taliban unterdrücken Frauenrechte systematisch und brutal. Seit ihrer Machtübernahme 2021 haben sie Frauen aus Schulen, Universitäten und der Öffentlichkeit verbannt, ihnen das Arbeiten in den meisten Berufen verboten und selbst Bewegungsfreiheit oder Kleidung streng reglementiert. Wer sich widersetzt, riskiert Haft oder Gewalt.

Bemerkenswert ist der doppelte Boden dieser Inszenierung: Rechte Akteure wie Müller berufen sich in Europa regelmäßig auf den „Schutz der Frauen“, wenn sie gegen Migration oder den Islam hetzen. Unter dem Deckmantel vermeintlicher Frauenrechte verbreiten sie rassistische und antifeministische Propaganda. Doch ihre Sympathie für die Taliban entlarvt diese Rhetorik als das, was sie ist, ein taktisches Werkzeug. Wer sich mit einem Regime solidarisiert, das Frauen entrechtet und Mädchen den Schulbesuch verbietet, kann keine Verteidigung westlicher Werte für sich beanspruchen. Die vermeintliche Sorge um Frauen dient nur als Tarnung für ein Weltbild, das selbst auf patriarchaler Unterordnung und Gewalt basiert.

Mario Müller inszeniert sich gern als rechter Intellektueller, der über den Dingen steht. Tatsächlich bleibt er einer der gefährlichsten Strategen der extremen Rechten, mit einem besorgniserregenden Fetisch für physische Gewalt. Seine Reise zu den Taliban war kein Abenteuerurlaub, sondern ein gezielter Propaganda-Akt.

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