23. September 2025
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Warum kaum jemand über die vielen AfD-Wahlniederlagen spricht
von Thomas Laschyk | Sep. 23, 2025 | Analyse
Die AfD verliert gerade eine Wahl nach der anderen. In Potsdam ging sie am Sonntag sogar mit 13 Prozent unter, auch in vier weiteren Städten in Brandenburg hagelte es Wahlschlappen. Aber auch in ihren Hochburgen verliert sie. Das ist kein Grund zur Entwarnung, aber es zeigt, dass der Kampf um unsere Demokratie noch lange nicht verloren ist. Und warum es ein Problem ist, wenn Medien bewusst oder unbewusst mit der Bedrohung der AfD Klicks machen.
In den letzten Monaten scheint die AfD in Umfragen Rekorde zu jagen. Manche Medien beschwören bereits eine „blaue Welle“ und einen unaufhaltsamen Siegeszug der Rechtspopulisten. In meinen Artikeln habe ich bereits die letzten Wochen genauer dargelegt: Die AfD wird unter anderem stark, weil sie medial aufgebauscht wird – und die hohen Umfragewerte verschleiern, wie zutiefst unbeliebt sie in Wahrheit ist –, weil sie sich weiter zur kompletten Neonazi-Partei radikalisiert. Die vermeintliche Unbesiegbarkeit der AfD ist ein medial erzeugter Mythos. In der Realität tun sich die Rechtsextremen zunehmend schwer, tatsächliche Wahlerfolge zu erzielen. Die Wahlniederlagen-Serie hat sich auch am vergangenen Sonntag in Brandenburg fortgesetzt.
Tatsächlich ist die Liste jüngster Wahlniederlagen der AfD lang – doch sie findet wenig Beachtung. Wenn es konkret wird, wollen viel weniger Leute Neonazis, als man glauben mag. In Sachsen-Anhalt soll die AfD auf 39 Prozent kommen, in Wolmirstedt holte sie das Direktmandat mit knapp 40 %. Bei der Bürgermeisterwahl verlor der Rechtsextremist jedoch deutlich mit 36,2 Prozent gegen den parteilosen Mike Steffens, der 54,4 % holte. Gleiches in Meißen: Bei der Bundestagswahl wählten noch 40 % einen Rechtsextremisten, am Sonntag fiel der Neonazi Jurisch mit nur 30,4 % durch. Und das, obwohl die AfD massive Unterstützung von EU- und Bundesebene mobilisierte, weil sie verzweifelt die Erfolge braucht, die nicht manifestieren.
Ähnliches in NRW vorletzte Woche bei den Kommunalwahlen. Die Medien sprechen teilweise von einem “AfD-Sieg”, von einer “blauen Welle”. In Essen sprach t-Online von “AfD-Sieg”. Und die Partei kam nicht mal in die Stichwahl. „Kommt die blaue Welle?“, wurde oft gefragt im Vorfeld.
Blaues Absaufen
Die AfD hat weniger Zustimmung in NRW bekommen, im Vergleich zur Bundestagswahl. In keinem Kreis und keiner kreisfreien Stadt ist die AfD vorne. Es ist immer noch das zweitbeste Ergebnis für die Grünen in NRW. Dieser Blickwinkel verschleiert natürlich die aktuellen Entwicklungen – den starken Abfall der Grünen und den Anstieg der AfD im Vergleich zur letzten Kommunalwahl. Und natürlich ist das eine negative Entwicklung für unsere Demokratie. Aber: Die letzte Wahl war 2020 – als die AfD inmitten der Pandemie ihre geringsten Zustimmungswerte hatte seit 2017!
Hier geht es aber nicht darum, sich das Ergebnis schönzureden. Sondern zu verhindern, dass der Negativity-Bias der Medien die Arbeit für die Faschisten macht – und die Rechtsextremisten motiviert. Und die Demokraten jetzt schon kapitulieren lässt. Was die Medien realisieren müssen: Auch die (noch so kleinen) Erfolge der Demokratie über den Rechtsextremismus haben einen Nachrichtenwert! Und das Bedürfnis bei Rezipierenden nach positiven, konstruktiven, mutmachenden Nachrichten wird in der Medienwissenschaft im Übrigen schon lange festgehalten. Die AfD ist NRW auf dem dritten Platz gelandet, nur einen Prozentpunkt vor den Grünen. Die Union holt 33 Prozent. Eine Union, die unter Wüst übrigens einen klaren Anti-Rechts-Kurs führt. In Bundesländern, in denen die Union Rechtspopulismus nutzt, ist die AfD teilweise stärker als sie.
Warum nicht „AfD verliert im Vergleich zur BTW, Grüne zweitbestes Ergebnis in NRW“?
5 Schlappen für die AfD bei Brandenburger Bürgermeisterwahlen
Auch am vergangenen Sonntag wurden in fünf Brandenburger Städten neue Bürgermeister gewählt – und in allen fünf Fällen schnitt die AfD enttäuschend ab. Besonders auffällig war die Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Dort kam AfD-Kandidat Chaled-Uwe Said mit nur 13 Prozent der Stimmen abgeschlagen auf den fünften Platz. Die Linke hatte mit 16 % mehr Stimmen. Ja, natürlich ist Potsdam traditionell ziemlich progressiv. Aber das war auch kein Einzelfall.
Auch in Frankfurt (Oder) erfüllten sich die hochtrabenden Erwartungen der AfD nicht. Zwar schaffte es AfD-Bewerber Wilko Möller dort in die Stichwahl, doch mit 30,2 % der Stimmen im ersten Wahlgang liegt er hinter dem parteilosen Favoriten Axel Strasser (32,4 %). Beide profitierten davon, dass in Frankfurt keine starken Bewerber der traditionellen Volksparteien antreten wollten – die CDU- und SPD-Kandidaten landeten mit 28,8 % bzw. knapp 10 % weit hinten. Dennoch: Die AfD war in den Kommunal,- Europa- und Bundestagswahlen jeweils die stärkste Kraft gewesen.
Noch deutlicher war das Verfehlen der AfD-Ziele in den kleineren Städten Velten und Glienicke/Nordbahn (je rund 10.000 Einwohner) – eben keine liberalen Hochburgen. In Velten trat der AfD-Kreispolitiker Marco Schulze an – doch mit rund 17,9 % der Stimmen blieb er abgeschlagen auf Platz 3 und verpasste klar die Stichwahl. In Glienicke/Nordbahn kam AfD-Kandidat André Spannemann sogar nur auf etwa 20,8 % und belegte damit ebenfalls Rang 3. Trotz zum Teil prominenter Wahlkampfhilfe blieb die AfD in beiden Orten deutlich unter ihren Erwartungen und jeweils nur Dritter.
AfD-Erfolge bleiben aus – wir müssen lernen, warum
Die AfD-Führung zeigte sich ernüchtert. René Springer monierte am Wahlabend, man habe sich „natürlich mehr erhofft“ und versuchte die Pleiten schönzureden: Viele AfD-Bewerber seien „Newcomer, denen die Bekanntheit fehlt“, außerdem hätten einige Wähler taktisch gegen die AfD gestimmt. Doch die Entschuldigungen ändern nichts am Ergebnis: In allen fünf Städten – Potsdam, Frankfurt, Velten, Glienicke und auch Hennigsdorf (wo die AfD gar nicht mal einen Kandidaten fand!) – konnte die AfD am Wochenende keinen einzigen Sieg verbuchen. Die medial aufgeheizte Stimmung, von der die AfD profitiert, manifestiert sich vielleicht in den Umfragewerten, aber nicht so sehr an den Wahlurnen.
Das gleiche übrigens auch bei brandenburgischen Bürgermeisterwahlen in der Woche zuvor: In Nauen und in Wriezen setzten sie sich nicht durch, in Nauen kam der von der AfD unterstützte Neonazi nicht mal in die Stichwahl mit nur 15 %. In Wriezen bekam die AfD nur 27 % – der CDU-Kandidat scheiterte nur knapp an der absoluten Mehrheit. Auch im sächsischen Diehra-Zehren erlebte die AfD ein Wahl-Debakel und ging mit nur 10 % völlig unter.
Man mag es als verzerrend empfinden, dass ich die Kommunalwahlen in NRW und Hennigsdorf als Beispiele für das Versagen der AfD aufzähle. Auch in NRW ist sie in sehr vielen Gemeinden nicht angetreten. Kein Wunder also, dass sie schlecht abschneidet, das verschleiere ihre wahre Kraft. Aber ich sage: Wie soll eine Partei Einfluss haben, wenn sie nicht mal genug Leute findet, die für sie antreten? Sei es Inkompetenz oder Unbeliebtheit: Das ist doch dann offensichtlich keine Volkspartei.
Niederlagenserie von Sachsen bis Brandenburg
Ja. Natürlich gewinnt die AfD solange nichts, bis sie es dann doch irgendwann tut und es zu spät ist. Ich will die Gefahr nicht schönreden – ich denke, wir bei Volksverpetzer sind eher bekannt dafür, ständig lautstark vor ihr zu warnen. Wir haben schließlich eine Petition mit 1,3 Millionen Unterschriften an Bundestag und Bundesrat überreicht, um zu erreichen, dass ein Verbot der AfD geprüft werde. Wir warnen seit über zehn Jahren vor der Partei und ihrer Entwicklung. Im Gegenteil – die Verharmloser hatten retrospektiv stets Unrecht gehabt.
Aber die (berechtigte) Angst vor der AfD führt dazu, dass auch medial der Blick stets nur darauf gerichtet ist. Und das hat eine ungewollte Nebenwirkung: Die ständigen Schlagzeilen darüber, welche rechten Einstellungen jetzt wieder normalisiert werden und in welchen Umfragen die AfD jetzt wieder stark ist, lassen viele glauben, dass die Machtergreifung unausweichlich sei. Dass der Kampf schon verloren ist. Und genau diesen Mythos will ich hier beseitigen. Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist.
Es ist unseriös, hier direkt einen Trend hineinzulesen
Ja, die AfD hat vielerorts wieder zugelegt, teils ihre bisher besten Ergebnisse erzielt. Aber das heißt nicht, dass das ein unaufhaltsamer Trend ist und eine Entwicklung, die kommen wird, egal, was wir tun. Im Gegenteil. Wir müssen als Demokraten auch den anderen Blickwinkel im Auge behalten. Die AfD verliert immer noch beinahe alles. Und das sogar ziemlich deutlich. Ja, das kann auch schon schädlich sein wie die Sperrminorität in Thüringen zeigt. Aber vom Mythos der Unaufhaltsamkeit profitiert die AfD. Denn sie kann nur gewinnen, wenn wir aufgeben. Sie wird erst anfangen, diese ganzen Wahlen auch wirklich zu gewinnen, wenn der demokratische Widerstand nachlässt.
Die AfD verliert ständig, weil die große Mehrheit der Menschen in diesen Städten diese Partei ja eben nicht will. Und nicht nur nicht will, sondern aktiv und gezielt versucht, ihren Erfolg zu verhindern. Egal, wer in eine Stichwahl mit einem AfD-Kandidaten kommt, er oder sie wird von allen anderen unterstützt. Das macht man nur, wenn man noch nicht kapituliert hat. Wenn wir – beeinflusst von verkürzten Schlagzeilen in unserem Feed – ständig vom vermeintlichen Erfolg der AfD lesen, verschleiert das die Realität. Das alles entmutigt letztendlich demokratische Kräfte, obwohl es in Wahrheit viele Gründe zur Zuversicht gibt.
Schwache Kandidaten, schwache Ergebnisse
Warum aber scheitert die AfD so häufig bei konkreten Wahlen? Ein wichtiger Faktor: Personal und Programm. Die Partei findet kaum geeignete Leute, die für sie antreten wollen. Die AfD hat zwar hohe Umfragewerte, aber sie bekommt es nicht hin, wählbare Kandidaten aufzustellen. Denn es sind nun mal alles Rechtsextreme und Neonazis, die immer noch unbeliebt sind. Oder eben auch inkompetent.
Oft kann die AfD in Kommunen gar keine Kandidatur anbieten – oder nur unbekannte Hinterbänkler. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel stellte sie zu den Kommunalwahlen in NRW in 77 % der Gemeinden keinen Bürgermeisterkandidaten und trat in knapp 40 % der Städte überhaupt nicht an. Kaum jemand will für diese Partei kandidieren, und wenn man sie direkt wählen soll, verpufft die Größe der AfD regelmäßig in enttäuschenden Ergebnissen.
Inhaltlich kann die AfD auf kommunaler Ebene ebenfalls kaum punkten. Ihre Politik erschöpft sich in migrationsfeindlichen Parolen und Kulturkampf-Themen, die in Städten und Gemeinden wenig Relevanz haben. Der Historiker Ilko Sascha-Kowalczuk brachte es jüngst auf den Punkt: Viele Wähler trauen AfD-Kandidaten „keine sachgerechte Kommunalpolitik zu, weil die Fragen, für die die AfD sich zuständig fühlt, nicht auf kommunaler Ebene entschieden werden“.
Aber ja, es kann nicht auf Dauer so gut gehen
Und ja, es stimmt auch, was er danach sagt. Die AfD wird oft verhindert durch überparteiliche Allianzen. Solche breiten Bündnisse funktionieren bislang zuverlässig gegen Rechtsaußen, lösen aber natürlich langfristig nicht das Problem: Die Parteien müssen auch irgendwann einmal eine demokratische Alternative präsentieren, die mehr als nur ein Herunterwirtschaften des status quo darstellt.
Aber: Dieses Angebot kann kommen – oder die AfD wieder einen Absturz erleben wie 2020 oder 2024 und dann haben wir wieder Zeit gewonnen – oder es gar überstanden. Du magst dich vielleicht sogar fragen – welcher AfD-Absturz 2024? Das ist aber genau das, was ich meine: Wenn die AfD sich fast halbiert (wegen der Massenproteste!), kriegt das kaum jemand mit.
Wenn die USA völlig in die Diktatur abstürzen, könnte es passieren, dass AfD-Vorbild Trump etwas derart Ungeheuerliches macht, dass man hierzulande auf eine Kopie die Lust verliert, bevor man selbst das selbstmörderische Experiment wagt. Der Brexit hat viele andere EU-kritische Parteien zumindest nominell zum direkten Ausstieg Distanz aufbauen lassen. Es kann viel passieren – eine kommende AfD-Regierung ist nicht in Stein gemeißelt.
In jedem Fall: Die AfD ist noch ein gutes Stück entfernt von der Machtübernahme. Die Brandmauer bröckelt zwar, aber sie steht noch. Auch, weil immer noch sehr laut protestiert wird, wenn wieder ein Konservativer sie einreißen will. Ich sage nicht, dass es nicht passieren kann. Ich sage nicht, dass es nicht versucht wird. Aber ich sage nur, dass es erst funktioniert, wenn wir glauben, dass wir es nicht mehr stoppen können. Und wenn wir uns durch einen einseitigen Fokus der Schlagzeilen einreden lassen, dass es bereits so weit sei. Wenn sie hält, müssen wir auch sehen, warum sie hält.
Fazit: Der Mythos der „unbesiegbaren AfD“ bröckelt
Die AfD ist ein Scheinriese. Die AfD wirkt nur aus der Ferne so groß, weil permanente Empörung und mediale Präsenz sie künstlich aufblähen. Ein Teil davon ist auch Absicht und einige Überreiche bezahlen auch zig Millionen dafür:
Von Professoren gegründet, von Millionären direkt und indirekt unterstützt, vom reichsten Mann der Welt gepriesen und den mächtigsten Autokraten und Staaten der Welt gelobt und supported ist sie eine Kreatur von und für wirtschaftliche Eliten, die künstlich mit viel Geld hochgepusht wird.
Das Unbesiegbarkeits-Gerede ist Taktik. Und wir sind nach meiner Einschätzung der Lage noch lange davon entfernt, das man sie nicht aufhalten könnte. Selbst in den USA kann noch hier und da Widerstand geleistet werden – Komiker Jimmy Kimmel ist nach massivem Protest wieder ins Programm aufgenommen worden, nachdem das Trump-Regime Druck ausgeübt hat, ihren Kritiker zu feuern. Aber wir können nur Widerstand leisten, wenn wir wissen, dass er funktionieren kann. Und er kann funktionieren. Das sollte auch medial viel mehr erzählt werden. Die AfD erfährt keinen Siegeszug, sondern vor allem eines – Niederlagen am laufenden Band.
Artikelbild: Bernd von Jutrczenka/dpa