Im Namen Gottes gegen Queers und Frauen: Evangelikale Netzwerke im Nachwuchsfußball

27. October 2025


Evangelikale Netzwerke sind auch im Nachwuchsfußball gut vernetzt.

(Quelle: Canva)

Fußballstars wie Felix Nmecha oder Davie Selke werben öffentlich für evangelikale Organisationen. Gruppen wie „Ballers in God“ und „Fußball mit Vision“ pflegen enge Kontakte zu evangelikalen Freikirchen, die durch Queerfeindlichkeit, Frauenfeindlichkeit und sektenähnliche Strukturen auffallen.

Fußball-Funktionäre in evangelikalen Netzwerken

Auffällig ist, dass nicht nur Fußballer*innen Teil der evangelikalen Netzwerke sind. Auch Funktionäre, darunter Leiter*innen und Trainer*innen, machen mit. So trat etwa Pierre De Witt, Nachwuchsleiter bei Alemannia Aachen, für die Freikirche Köln-Ostheim auf. Vernetzt mit „Fußball mit Vision“, vertritt sie ein streng fundamentalistisches Bibelverständnis und fällt mit queerfeindlichen Predigten auf.

De Witt tritt auf Social Media für die Freikirche Köln-Ostheim auf. (Quelle: Screenshot Instagram)

In einer Predigt spricht André Töws, Pastor der Freikirche, über Homosexualität als „Sünde“ und deutet an, sie könne „Krankheiten mit sich bringen“. Unklar seien die Konsequenzen „ihrer Verwirrung“. „Aber was deutlich wird ist, Homosexualität wird von der Bibel her verurteilt“, sagt Töws. In einer anderen Predigt der Freikirche Köln-Ostheim, „Wie besiege ich die Sünde?“ von Dr. Heinrich Derksen heißt es: „Auch in unserem Land ist die Gottlosigkeit himmelschreiend. Die Dekadenz nimmt zu. Was vor Jahren noch Schuld und Sünde war, wird heute als freie Liebe zelebriert.“ Derksen ist zudem Dozent im Bibelseminar Bonn. In seiner Glaubensgrundlage betont das Seminar, dass Christen sich gegen „sexuelle Unmoral“ und „praktizierte Homosexualität“ stellen müssten.

Predigten von Pastor Töws. (Quelle: Screenshot)

Der U16-Trainer des FC Augsburg, Christian Köppel, gehört zum Team von „Fußball mit Vision“. Auch auf DFB-Ebene lassen sich Verbindungen zu dem evangelikalen Netzwerk nachweisen: Neben Nationalspieler*innen wie Felix Nmecha, Giovanna Hoffmann, Chris Führich, David Odogu oder Benjamin Henrichs, wirbt auch Melanie Behringer, U19-Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft, für „Fußball mit Vision“. Im Rahmen der Kampagne zur Heim-EM 2024  des Netzwerks blickt Behringer vor laufender Kamera auf ihre Karriere als Profi-Fußballerin zurück und schildert, welche Bedeutung der Glaube dabei für sie hatte.

Auf Anfrage betont der DFB, dass Behringers Glaube auf christlicher Nächstenliebe und Toleranz beruhe. Sie lebe die Werte des Verbandes wie Vielfalt und Respekt. Der FC Augsburg verweist im Fall Christian Köppel auf sein umfassendes Schutzkonzept im Nachwuchsbereich sowie auf die Bedeutung von Vielfalt, Verantwortung und einem diskriminierungsfreien Umfeld. Von Alemannia Aachen, Arbeitgeber von Pierre De Witt, liegt keine Stellungnahme vor.

Christian Köppel auf der „Fußball mit Vision”-Website. (Quelle: Screenshot Website)

Evangelisation als Spielplan

Die gezielte Missionierung durch „Fußball mit Vision“ ist Teil einer größeren Strategie, die die „Weltevangelisation“ zum Ziel hat. Eine wichtige Figur ist dabei Manuel Bühler, Leiter von „Fußball mit Vision“. Er ist Mitarbeiter des Vereins „Sportler ruft Sportler“ (SRS e.V.) der 2019 das Projekt „Fußball mit Vision“ gestartet hat.

Der Verein fördert und begleitet Sportler*innen aller Alters- und Leistungsklassen sowie deren Umfeld. SRS e.V. ist ein Tochterwerk von „Neues Leben e.V.“. Laut der Vereinswebsite sei das Ziel, „möglichst viele Menschen nachhaltig mit dem Evangelium von Jesus Christus zu erreichen“.

Neues Leben e.V. verfügt über ein breites Mediennetzwerk. Zu ihnen gehören unter anderem ein Monatsmagazin und der Radiosender „Radio Amigos“. Außerdem produziert der Verein regelmäßig Sendungen für Bibel TV. Umgekehrt berichtet der Sender immer wieder über „Fußball mit Vision“. Neues Leben e.V. und das Sportmissionswerk SRS beziehen sich ausdrücklich auf die „Lausanner Verpflichtung“. Diese 1974 formulierte Erklärung gilt als Gründungstext der modernen evangelikalen Bewegung und legt fest, dass Evangelisation und Einflussnahme in alle gesellschaftlichen Bereiche zentrale Aufgaben sind.

In der Verpflichtung heißt es: „Über 2,7 Milliarden Menschen, mehr als zwei Drittel der Menschheit, müssen noch mit dem Evangelium bekannt gemacht werden. Wir schämen uns, daß so viele vernachlässigt wurden; das ist ein ständiger Vorwurf gegen uns und die ganze Kirche.“ Weiter heißt es: „Wir rufen andere auf, sich uns anzuschließen. Möge Gott uns durch Seine Gnade helfen, damit wir zu Seiner Ehre dieser unserer Verpflichtung treu bleiben. Amen.“

Neues Leben e.V. erklärt die eigene Vision. (Quelle: Screenshot Website)

Der Text macht klar: Das wichtigste Ziel des Vereins ist es, Menschen zum „wahren Glauben“ zu führen. Fußballprojekte, Jugendfreizeiten oder Sportmissionen sind nicht neutral, sondern eingebettet in einen klaren, weltweiten evangelikalen Missionsauftrag, der auf Bekehrung, Reich-Gottes-Denken und gesellschaftliche Durchdringung abzielt.

Von SRS zu Fußball mit Vision“

Bernd Breitmaier ist Teil des Unterstützer-Teams von „Fußball mit Vision“. Mit seinem Beratungsunternehmen „MenschProfi“ half er, das Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Hannover 96 aufzubauen. Auf seiner Website loben ihn Michael Tarnat, ehemaliger Leiter des NLZ, und Johannes Seidel, pädagogischer Leiter. Eine von Hannover 96 formulierte Stellungnahme dazu durfte nur unter bestimmten Auflagen veröffentlicht werden; auf eine Wiedergabe wird daher verzichtet.

Tarnat lobt die gelungene Zusammenarbeit. (Quelle: Screenshot Website)

Vor der Gründung seines eigenen Unternehmens war Breitmaier von 2004 bis 2015 geschäftsführender Vorstand von SRS e.V.. Breitmaier, verantwortlich für den Bereich der „Multiplikation“, führte 2005 die erste Sportmentoren-Ausbildung für den Verein durch. Unter dem Begriff „Multiplikation“ versteht man im evangelikalen Kontext die gezielte Vervielfachung von Gläubigen durch Mission. Breitmaiers Verantwortungsbereich lag somit im Aufbau von Strukturen, die diese Form der Missionierung über den Sport fördern sollten. Zwischen 2010 und 2015 gründete Breitmaier die SRS-Akademie, den Ausbildungs- und Schulungszweig von „Sportler ruft Sportler“. Die Akademie existiert inzwischen nicht mehr.

Theologie, Sport und Politik: Das „Seven Mountain Mandate“

Neues Leben e.V sowie SRS e.V sind mit der Evangelischen Allianz in Deutschland (EAD) verbunden. Die EAD veröffentlichte zur Fußball-Europameisterschaft 2024 gemeinsam mit „Fussball mit Vision” eine Kampagne mit Zeugnis-Videos von gläubigen Fußballprofis. Auch auf der Liste der EAD: Awakening Europe e.V. Der Verein pflegt Kontakte zu „Ballers in God“ und arbeitet mit der extremcharismatischen Bethel Church zusammen, die stark auf esoterische Elemente wie Heilungen oder Wunder setzt.

Laut fundiwatch feierte die Gruppierung „Christen in der AfD“ kürzlich ihr zehnjähriges Jubiläum in Berlin. Die AfD sucht gezielt Kontakt zu Evangelikalen. Neben öffentlichen Veranstaltungen soll es laut Indymedia auch ein inoffizielles Treffen in den Räumen der Gemeinde von Prediger Markus Rapp gegeben haben. Rapp ist Leiter der Bibelschule ISDD (Internationale Schule des Dienstes), die ebenfalls Teil der Evangelischen Allianz Deutschlands ist. Die Bibelschule lehrt das „7 Mountain Mandate“, eine theologische Strömung, die Christen dazu aufruft, die sieben gesellschaftlichen Schlüsselbereiche (Religion, Familie, Medien, Wirtschaft, Politik, Kunst/Kultur und Soziales/Sport) gezielt zu „erobern“. Das Beispiel zeigt, wie evangelikale Netzwerke, die über die EAD verbunden sind, auch politisch wirksam werden können.

Glaube und Leistung im Nachwuchsfußball

Der Logik des SRS e.V. nach ist sportlicher Erfolg an religiöse Praxis gekoppelt. Dabei sind Sportler*innen ohnehin ständigem Leistungsdruck ausgesetzt. Besonders junge Spieler*innen in Nachwuchsleistungszentren sind häufig weit von ihrer Familie entfernt. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Jugendlichen in solch einer Situation kann nicht hoch genug gestellt werden. Aktuelle Recherchen von 11FREUNDE und Correctiv zeigen, wie verbreitet Gewalt und Machtmissbrauch auch im Jugendfußball sind. In solch einem Umfeld suchen viele Jugendliche nach Orientierung und Zugehörigkeit. Evangelikale Gruppen nutzen diese Suche gezielt, um sie über den Glauben anzusprechen.

Wenn Sportler*innen aus eigener Überzeugung glauben und darin Hoffnung und Halt finden, ist das nicht zu kritisieren. Problematisch wird es, wenn Trainer*innen, Nachwuchsleiter*innen oder andere Bezugspersonen in missionarischen Netzwerken agieren, die teils queerfeindliche, evangelikale Ideologien transportieren. Sie missbrauchen das fragile Verhältnis zu ihren Schutzbefohlenen und überschreiten eine Grenze.

Die Missionierung beim Nachwuchs könnte erklären, warum auch immer mehr Profis wie Nmecha in evangelikalen Netzwerken eingebunden sind und ein homofeindliches Weltbild teilen. Junge Spieler*innen haben Vorbilder. Genauso werden auch Fans offen für Missionierung. Damit wird die oben erwähnte Vision von Neues Leben e.V. perfekt erfüllt.

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