28. October 2025
Vom Hoffnungsträger zum Sorgenkind: Eine neue ARD-Dokumentation zeigt, wie tief Ford in Köln in der Krise steckt – und warum die Zukunft des traditionsreichen Werks in Köln ungewiss ist.
„Hier im Kölner Ford-Werk wird Geschichte geschrieben, weil hier immer wieder Zukunft entsteht“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz noch 2023, als Ford zwei Milliarden Euro in die Umrüstung seines Standorts auf Elektromobilität investierte.
Heute wirkt dieser Satz wie ein Zitat aus einer anderen Zeit. Die ARD-Dokumentation „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kam“ zeigt, wie sehr der Autobauer mit seiner Strategie kämpft, was die Ursachen sind – und wie schwierig die Perspektive für Köln ist. (Foto: IMAGO / Panama Pictures)
Ford Fiesta: Vom Erfolgsmodell zum Auslaufmodell
Neun Millionen Ford Fiesta liefen in Köln vom Band, fast 2000 Fahrzeuge täglich in drei Schichten. Nach 44 Jahren endete die Fiesta-Produktion 2023 – und mit ihr ein Stück Kölner Industriegeschichte. Für viele Händler war das ein harter Einschnitt: „Der Fiesta fehlt uns“, sagt einer in der Doku. Das Modell war bezahlbar, bekannt und ein echter Ford aus Köln.
Heute bietet der Konzern im unteren Preissegment kein einziges Fahrzeug mehr an. Der Autoexperte Professor Dr. Stefan Bratzel ist Gründer und Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Er sagt in der Doku: „Ford hat zu spät auf Elektro gesetzt. Die Fahrzeuge sind zu teuer für die Marke.“
Bis August wurden 2025 laut der Doku nur etwas mehr als 8500 Neuwagen neu zugelassen – geplant waren eigentlich 200.000. Es gibt mittlerweile auch Ford-Händler, die ihr Geschäft auf Reparaturen reduzieren.
Ford-Fokus auf Amerika
Seit Jim Farley 2020 Ford-Konzernchef wurde, hat sich der Fokus verschoben. Farley kündigte an, „aus dem Geschäft mit langweiligen Autos auszusteigen und in das Geschäft mit ikonischen Autos einzusteigen“. Doch diese „ikonischen Autos“ – große Pick-ups und Muscle Cars – sind in Europa kaum gefragt.
Die Folge: Der Explorer und der Capri, die beiden Elektromodelle aus Köln, finden viel zu wenig Käufer in Deutschland.
„Vom Massenhersteller zum ikonischen Hersteller – das funktioniert in Europa nicht“, kommentiert Benjamin Gruschka, Gesamtbetriebsratsvorsitzender von Ford in Köln: „Man sollte die Finger von Dingen weglassen, die man nicht kann.“
Auch das Entwicklungszentrum in Köln, einst das Herz der europäischen Ford-Modelle, wird zurückgebaut. Entwicklungen wandern in die USA, wo Milliarden in neue Werke und Batteriefabriken fließen.
„America first“ – dieser Slogan, so zeigt die Doku, hat längst konkrete Auswirkungen am Rhein. Investiert wird im Heimatmarkt. So wie es der US-Präsident verlangt.
Aus dem Verliebt in Köln-Shop:
Schrumpfende Produktion, steigende Sorgen
Die Umstellung auf Elektromobilität ist teuer – und menschenleer. In der Doku wird klar: Die E-Auto-Produktion braucht weniger Teile, weniger Arbeitskräfte, weniger Schichten. Statt einer halben Million Fiesta entstehen in Köln aktuell nicht einmal 100.000 Elektroautos im Jahr, nur noch in einer Schicht. Um das Werk rentabel zu betreiben, wäre eigentlich ein Drei-Schicht-Betrieb nötig.
Hinzu kommen hohe Energiekosten, eine schwächelnde Nachfrage und ein massiver Marktanteilsverlust: von einst 18,5 Prozent auf nur noch 4,5 Prozent. Zwischen 2021 und 2023 fuhr Ford in Europa laut Doku einen Milliardenverlust ein.
Ford in Köln: Zwischen Hoffnung und Endspiel
Offiziell setzt Ford weiter auf die Elektrozukunft in Köln. Doch die Doku zeigt: Auf dem Werksgelände in Köln stehen unverkaufte Fahrzeuge, Teile des Areals sollen verkauft werden. Beobachter warnen: Wenn keine neuen Modelle kommen, droht der schleichende Niedergang.
Ein Hoffnungsschimmer kam zuletzt mit einer Personalentscheidung aus Detroit: Zum 1. November 2025 übernimmt der US-Amerikaner Jim Baumbick die Leitung von Ford Europa. Der erfahrene Manager gilt als enger Vertrauter der Konzernspitze und war bislang für die weltweite Produktentwicklung verantwortlich. Branchenkenner sehen darin ein Signal – Ford will Europa offenbar wieder ernster nehmen.
Baumbick soll die Strategie neu ausrichten, die Entwicklung marktrelevanter Modelle beschleunigen – und er wird seinen Arbeitsplatz direkt im Kölner Werk haben. Für viele ein Zeichen, dass Köln als Herz des Europageschäfts wieder an Bedeutung gewinnt.
Doch die Zukunft ist ungewisser denn je: „Die Dinosaurier sind nicht umsonst ausgestorben“, heißt es in der Doku. Für Köln bedeutet das: Wenn Ford keine neuen Ideen liefert, könnte es in den nächsten Jahren für den Standort Köln noch schwieriger werden.
Verliebt in Köln
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