31. Oktober 2025
Der Kanzler belügt die Bevölkerung, das ZDF hilft ihm dabei und die AfD jubelt, weil wieder Rassismus normalisiert wurde, obwohl eine Mehrheit dem Kanzler widerspricht. Wie die „Stadtbild“-Debatte für Merz nach hinten losging, analysieren wir in diesem extensiven deep dive.
Kanzler sorgt für heftige Kritik und viele Proteste
Seit zwei Wochen sorgt Kanzler Merz für große Aufregung. Er hatte anfangs zunächst damit geprahlt, wie stark die Asylzahlen unter seiner Regierung zurückgegangen seien. Etwas, was aber quasi nichts mit seiner teils rechtswidrigen Politik zu tun hat. Die Asylzahlen sanken bereits seit 2023 und insbesondere durch den Sturz des Assad-Regimes in Syrien im Dezember 2024. Ein Blick in den langfristigen Trend von Asylanträgen zeigt, dass nach jedem Peak ein Rückgang von Asylanträgen erfolgt, und den erleben Merz & Co. halt zufälligerweise.
So wenig Einfluss hat die Bundesregierung auf sinkende Asylzahlen
Und er hat danach erklärt, warum Dobrindt angeblich Abschiebungen durchführt: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“
Nach tagelanger Kritik an der Aussage und tausenden, die deswegen aus Protest auf die Straße gegangen sind, wurde er mehrfach von Journalisten dazu befragt – und er äußerte weder eine Entschuldigung, noch eine Spezifizierung, sondern er sagte lediglich, man solle die „Töchter“ fragen, ob „das“ ein Problem sei. „Ich vermute, sie kriegen eine ziemlich klare und deutliche Antwort“, sagte er.
Was „das“ sein sollte, und wer dafür verantwortlich sein sollte, hatte er aber immer noch nicht spezifiziert. Dann gab es wieder Tausende, die dagegen protestiert hatten – vor allem viele Frauen, die mit „Wir sind die Töchter“ vor der CDU-Zentrale protestierten und sich nicht für Merz’ Rassismus instrumentalisieren lassen wollten.
Er hat natürlich auch Zustimmung bekommen – von erst mal wenig überraschenden Stellen: von Söder, Dobrindt, von Spahn – und auch von Stimmen wie zum Beispiel Uschi Glas.
Merz’ Stadtbild – war das Rassismus?
Ihr habt die Debatte seit zwei Wochen sicher mitbekommen. Hier gibt es zwei prominente Erklärungen, wie Merz’ Aussage zu interpretieren sei. Die Verteidiger sagen, es sei doch klar, was gemeint sei – es gäbe gefährliche Orte in den Innenstädten, wo man sich besonders als Frau nicht alleine hintraue. Söder sagte, es gäbe in den Innenstädten „Herausforderungen“, weil die „Integration nicht gelungen sei“. Er sprach von Hauptbahnhöfen und Schwimmbädern. Spahn ergänzte noch Silvester und dass es gar nicht um Hautfarbe ginge oder um Menschen mit Migrationshintergrund.
Die anderen werfen ihm blanken Rassismus vor. Merz erkläre, Menschen anderer Herkunft seien pauschal ein Problem im Stadtbild und sie seien alleine oder überwiegend für Unsicherheit verantwortlich. Deutschlandweit haben deshalb zehntausende gegen Merz protestiert.
Sie sagen: Merz schiebt alle Probleme auf nichtweiße Menschen. Und seine Lösung sei, sie loszuwerden. Das ist die pure Definition von Rassismus. Und was die AfD auch wolle. Merkel sagte einmal vor vielen Jahren auf einen ähnlichen Spruch aus der AfD, sie könne ja nicht am Gesicht sehen, ob jemand die deutsche Staatsbürgerschaft habe. Genauso ist es ja mit Menschen ohne Aufenthaltstitel. Und außerdem lügt er über die Probleme und wer dafür verantwortlich ist. Das Argument haben auch wir gebracht, aber dazu gleich mehr.
Dann, nach über einer Woche Protesten – und zwar ziemlich großen Protesten, zehntausende in mehreren Dutzend Städten in ganz Deutschland – stellte Merz endlich klar – manche sagen, er ruderte zurück –, dass es ihm um diejenigen geht, die „keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich nicht an unsere Regeln halten“.
Es war von Anfang an rassistisch
Ich weiß, dass es einige gibt, die ihm bei Letzterem zustimmen würden. Laut einer Umfrage, stimmten 63 % der zurückgeruderten Aussage zu, dass die arbeitslosen Ausreisepflichtigen das Stadtbild störten. Doch das war ja nicht wirklich das, was er am Anfang sagte, oder? Aber viel wichtiger: Es stimmt eben einfach auch nicht, dass diese Menschen für „Probleme im Stadtbild“ verantwortlich sind. Oder gar sein können. Merz hat sich rassistisch geäußert und gelogen. Lass mich erklären, warum.
Fangen wir zuerst damit an, dass es klar ist, dass er nicht diese Menschen von Anfang an gemeint hat, sondern nur nach der Kritik erst darauf zurückgerudert ist. Wenn das so wäre, hätte er das doch auch von Anfang an klarstellen können, oder? Warum hat er über eine Woche dafür gebraucht? Wenn es denn nur ein Missverständnis war?
Es war doch offensichtlich, wie es sehr viele verstanden haben – interessiert es Herrn Merz nicht, wenn zehntausende demonstrieren? Die Kritik kam ja auch aus den eigenen Reihen – das war doch keine „linke Kampagne“, wie die CDU-Spitze uns einreden will.
Heftige Kritik – auch aus der Union
Der Landeschef der baden-württembergischen CDU, Manuel Hagel, riet Merz zur „verbalen Abrüstung“. Der Chef des CDU-Sozialflügels, Dennis Radtke, kritisierte Merz ebenfalls. Auch Laschet hat gesagt, Aussage sei zu „nebulös“ gewesen, und hat davor gewarnt, dass am Ende nur die AfD profitiere. Es gibt auch CDU-Mitglieder, die aus Protest ausgetreten sind, weil sie diese rechte Politik nicht mittragen wollen. Einer kritisiert, dass Merz nicht auf Kritik und Feedback aus den eigenen Reihen hört. Also hier hat sich eine breite Mehrheit empört, aber die Unionsspitze will auf ihrem Irrweg beharren.
Als Reaktion hat sich sogar eine ganze Plattform innerhalb der Union gegründet, um gegen den Kurs von Merz zu protestieren! Die Plattform „Compass Mitte“ fordert eine „Kurskorrektur“, viel härtere Abgrenzung zur AfD und absolut keine Zusammenarbeit – und ein AfD-Verbot. Merz hat nicht mal die ganze Partei hinter sich. Erst recht nicht die Bevölkerung.
Die Mehrheit hat sich hier empört: Zigtausende auf den Straßen
Und wenn diese Aussage so unkontrovers sein soll und nur eine „linke Kampagne“, warum gab es dann so große Proteste – in Kiel, Berlin, Köln, Magdeburg, Hamburg, Leverkusen, Siegburg, Herne, Gelsenkirchen, Essen, Bonn, Aachen, Bochum, Bielefeld, Arnsberg – dem Wohnort von Merz – Münster, Heidelberg, Mannheim, Bremen, Hannover, München; Regensburg, Passau, Augsburg, Leipzig, Dresden, Chemnitz und viele mehr? Und in den meisten Städten waren es sogar ein paar tausend Menschen. Hier läuft gerade eine große Protestwelle an, mit Zehntausenden auf der Straße in 30, 40, oder 50 Städten. Während ich das hier schreibe, werden immer weiter Demos angekündigt. Auf innn.it haben fast 250.000 Menschen aus Protest unterzeichnet. Das sind viele Leute!
Selbst wenn man Merz verteidigen wollte, müsste man mindestens eingestehen, dass Merz sich offensichtlich wirklich missverständlich ausgedrückt hat. Und sich dann weigerte, sich zu entschuldigen oder richtigzustellen. Allein das ist schon ein kitikwürdig für einen Kanzler, der dann nicht ordentlich kommunizieren kann und dem berechtigte Kritik egal zu sein scheint. Es ist ja nicht das erste Mal, dass das passiert ist.
Merz hat schon etliche Male derartige Sprüche herausgehauen und musste dann zurückrudern und sich erklären. Wenn einer ständig „missverstanden“ wird, liegt es nicht an den anderen. Dann soll Merz sich anständig beraten lassen und anfangen, Kritik anzunehmen, und nicht auch noch nachtreten. Er will Kanzler für alle sein, aber bringt ständig die Mehrheit gegen sich auf? Merz’ Umfragewerte sind im Keller. ⅔ aller Befragten sehen die Arbeit seiner Regierung kritisch. Scholz hatte solche schlechten Werte erst als seine Regierung zerbrochen ist nach über 2 Jahren. Merz nach einem halben Jahr.
Aber Merz Lügt
Aber ich glaube nicht, dass Merz einfach nur ungeschickt kommuniziert und sich weigert, dazuzulernen. Wenn einem ständig rassistische Aussagen „rausrutschen“ und er ständig rechte Fake News daherplappert – dann ist der Mensch wohl rechts und rassistisch. Merz hatte einen NPD-Kampfbegriff verwendet, Lügen über die Grünen verbreitet, Lügen über die Zahl der arbeitenden Syrer (die Mehrheit arbeitet), Lügen über die größten Aufnahmeländer von Geflüchteten, Lügen über Zahnarztbesuche von Schutzsuchenden, und vergessen wir nicht auch noch die „Kleinen Paschas”. Wie viele „Ausrutscher“ sind ein System?
Und faktenchecken wir ihn doch auch mal konkret bei seiner Stadtbild-Aussage. Denn will uns Merz wirklich allen weismachen, dass alle „Probleme im Stadtbild“ wirklich nur von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung, die sich nicht „an unsere Regeln“ halten, rühren soll?
Nur wenige Menschen unmittelbar ausreisepflichtig
Stand Juni 2025 sind insgesamt 41.500 Menschen unmittelbar ausreisepflichtig. Unmittelbar ausreisepflichtig sind Personen, die nicht im Besitz einer gültigen Duldung sind. Viele sind vermutlich schon ausgereist, aber haben sich halt nicht „abgemeldet“. Und selbst wenn man davon ausgeht, dass wirklich alle noch da sind – und wirklich alle sich „nicht an unsere Regeln halten“ – und wenn sich auch noch alle 41.500 zufällig gleichzeitig in Städten aufhalten würden, DANN machen sie maximal 0,07 % aller Menschen in den Städten aus. Du merkst hoffentlich: Da kommen ganz schön viele „Wenns“ zusammen. Will uns Merz wirklich einreden, dass wir eine Handvoll Menschen abschieben müssten und Deutschland würde zu einem Paradies an Ordnung und Sicherheit werden?
Wenn du jemanden aus der AfD (oder auch gewisse Leute aus der CDU) fragst, wie viele Menschen abgeschoben werden können, wird dir zu 99,9 % eine höhere Zahl als 41500 Personen genannt werden. Lass mich das kurz erklären. Es gibt bei „Ausreisepflichtigen“ zwei Kategorien: unmittelbar ausreisepflichtig oder vollziehbar ausreisepflichtig. Was ähnlich klingt, ist aber sehr verschieden. Unmittelbar Ausreisepflichtige können tatsächlich abgeschoben werden. Vollziehbar Ausreisepflichtige sind vor allem Personen mit gültiger Duldung, die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen derzeit NICHT abgeschoben werden können. Der häufigste Grund: fehlende Reisedokumente. Viele Geduldete leben jahrelang in Deutschland und können irgendwann eine gültige Aufenthaltserlaubnis erwerben.
So realitätsfern ist die AfD: Wir können nicht mehr abschieben
Man kann nicht SEHEN, wer ausreisepflichtig ist
Du kannst einem Menschen nicht im Gesicht ansehen, ob er ausreisepflichtig ist. Oder an der Hautfarbe ablesen, ob er sich nicht „an unsere Regeln hält“. Also entweder verarscht unser Kanzler uns, wenn er behauptet, die Abschiebung von einer winzigen Zahl an Menschen würde irgendwelche Probleme lösen – oder er meint eben nicht nur Ausreisepflichtige. Und wer ihm zustimmt, ist ebenfalls rassistisch – oder ist auf die Lüge hereingefallen, wie viele Menschen „ausreisepflichtig“ sind.
Aber wir wissen doch alle, dass es weder Merz noch denjenigen, die ihm zustimmen, um diese winzige Gruppe an Menschen geht. Hier geht es offensichtlich nicht um ein paar Ausreisepflichtige. Kann es faktisch gar nicht. Ging es Merz bei „Paschas“, Zahnarztbesuchen und so weiter ja auch nicht. Und sicherlich nicht auch beim Stadtbild.
ZDF unterstützt mit Propaganda die Regierung
Apropos diese Umfrage, in der 63 % der Klarstellung von Merz zustimmten: Das ZDF fühlte offenbar das Bedürfnis, unseren Kanzler vor berechtigter Kritik zu schützen, und stellte die vorhin erwähnte Umfrage irreführend dar. Die 63 % in der Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen bezogen sich explizit nur auf die Aussage von Merz, nachdem er bereits zurückgerudert war, wie gesagt. Das ZDF aber formulierte die Fake News, die „Mehrheit“ stimme Merz’ Stadtbild-Aussage zu – als ginge es um seine ursprüngliche Aussage, in der er noch gar nicht klargestellt hatte, dass er ja nur die ausreisepflichtigen Regelbrecher meinen würde.
Aus der Antwort auf diese Frage kann man nämlich gar nicht ablesen, welcher von Merz’ Aussagen Menschen nun zustimmen: wie viele Menschen mit „Ja“ gestimmt haben, weil sie etwas gegen Nicht-Weiße im „Stadtbild“ haben, oder wie viele Menschen mit „Ja“ gestimmt haben, weil sie es nicht gut finden, wenn sich Menschen nicht an Regeln halten. Die Frage war demoskopisch schlecht gestellt – und wurde dann auch journalistisch katastrophal präsentiert.
Das ZDF weigerte sich aber, einen Fehler richtigzustellen. Sie hätten ‚Missverständnisse‘ antizipieren müssen, sagten sie lediglich. Ein „Tut uns leid, dass ihr es missverstanden habt“. Extrem schwache Reaktion, aber passend zur fehlenden Kritikfähigkeit des Kanzlers.
Die Mehrheit widerspricht Merz
Die Antworten der restlichen Umfrage zeigen sogar viel eher, dass die Mehrheit Merz’ rassistischer Dogwhistle widerspricht.
Kurze Erklärung: Eine Dogwhistle – eine Hundepfeife – bedeutet, dass jemand etwas sagt, das nur bestimmte Leute hören sollen. Genau wie nur Hunde das für Menschen zu hohe Pfeifen einer Hundepfeife hören, sollen Rassisten wissen, dass ihre Feindbilder angesprochen sind, während man sich vage genug ausgedrückt hat, um das leugnen zu können. Eine alte Methode, die von der AfD schon lange verwendet wird.
So antworteten 74 % aller Befragten in der Umfrage, dass in der Gegend, in der sie wohnen, es gar „nicht so große“ oder „keine“ Probleme mit Geflüchteten gebe. 66 % aller Befragten stimmen der Aussage zu, sie fühlten sich an öffentlichen Orten und Plätzen in der Regel „sehr sicher“ oder „eher sicher“. Kann man sehen, wenn man sich auf der zdfheute.de-Seite durch die Slideshow durchklickt. Diese Aussagen widersprechen dem von Merz aufgebauten Narrativ. Die meisten sehen keine Probleme oder fühlen sich sicher.
Tatsächlich hat auch eine neue Forsa-Umfrage ebenfalls bestätigt, dass eine Mehrheit Merz widerspricht: Nur 30 % finden seine Äußerungen angemessen und richtig. 66 % (!) erwarten von ihm mehr Sorgfalt bei der Wortwahl. Und diese Kritik geht quer durch die Bevölkerung und alle Parteien – selbst in der Union, wo seine Wortwahl am besten ankam, fanden sie 44 % daneben!
„Mehrheit gibt Merz beim Stadtbild recht“ sind einfach Fake News. Das ist keine linke Kampagne gewesen. Nach der Debatte fährt Merz seine niedrigsten Beliebtheitswerte seit seiner Wahl ein. Schwer zu argumentieren, dass er hier profitiert hätte.
Spahn und Söder
Die Verteidiger von Merz haben sich ebenfalls selbst entlarvt. Dass es nicht um die von ihnen eingeführte, fiktive Trennung zwischen den sogenannten „guten“ und „bösen“ Migranten geht, sondern schlicht um ihr künstlich aufgebautes, rassistisches Feindbild. Migranten werden seit Jahren zu Sündenböcken bereits existierender Probleme gemacht. Spahn sagte wortwörtlich es gehe um „junge Männer aus dem arabischen, muslimischen Kulturraum“. Die meisten halten sich aber legal hier auf, haben Asyl oder Duldung. Oder die deutsche Staatsbürgerschaft. Fast jeder von ihnen hält sich an unsere Gesetze. Die Mehrheit derjenigen, die 2015 zu uns geflüchtet ist, arbeitet und zahlt in die Sozialkassen ein.
Spahn zählte noch Schwimmbäder, Bahnhöfe oder Silvester auf. Alles Anspielungen auf rechte Fakes und Kampagnen der letzten Jahre. Das sind nicht die 40.000 Ausreisepflichtigen. Und die sind auch von niemandem gemeint, der diese Dinge glaubt. Und es sind nicht einmal die jungen Männer aus dem arabischen Kulturraum.
Die meisten Tatverdächtigen an Bahnhöfen sind Deutsche. Bahnhöfe haben täglich mehr Besuche als das ganze Oktoberfest. Pro 100 000 Besucher gibt es an Bahnhöfen weniger Gewalt- und Sexualdelikte als auf dem Oktoberfest, wie der Journalist Tobias Wilke feststellte. Das Oktoberfest zu besuchen ist viel gefährlicher, als auf einen Bahnhof zu gehen. Das Münchner Stadtbild Ende September wird aber wohl nicht gemeint sein, wenn man Probleme durch Abschiebungen lösen will.
Die aufgebauschten Debatten – und die Ablenkung mit falschen Feindbildern
Auch der Mythos von Schwimmbädern ist nur eine rechte Fake News, aufgeheizt mit Lügen und der Instrumentalisierung von paar Einzelfällen: Ein Faktencheck der Tagesschau zeigt, dass die Anzahl der Straftaten in Schwimmbädern 2024 in den meisten Bundesländern sogar deutlich gesunken war. Insgesamt sind sie – soweit Zahlen verfügbar sind – schlimmstenfalls seit Jahren auf unverändertem Niveau, oft sogar gesunken. Und natürlich sind die echten Vorfälle nicht mehrheitlich auf Ausreisepflichtige, oder gar Nicht-Deutsche zurückzuführen.
Auch das Silvester-Märchen haben wir bei Volksverpetzer schon ausführlich widerlegt. Es gab 2023 einen einzigen Vorfall, der massiv aufgebauscht und ausgeschlachtet wurde, und seit 3 Jahren muss dieser als Beweis herhalten, das irgendetwas schlimmer geworden sei – wobei auch die wenig vorhandenen Zahlen und die Aussagen der Sicherheitskräfte das nicht hergeben.
Ganz allgemein sinken die Straftaten seit Jahren immer weiter: Egal, ob Mord oder allgemein Tötungsdelikte. Tatsächlich waren die Jahre zwischen 2017 und 2022 die sechs Jahre mit der niedrigsten Zahl an Straf- und Gewalttaten in der deutschen Geschichte. 2024 sind die Straftaten wieder gesunken.
Schusswaffen-Gewalt um 75 % gesunken
Auch kann man keinen Zuwachs an „Messer-Gewalt“ feststellen, einfach weil die Zahlen erst seit kurzem erhoben werden. Hier wird auch einfach nur Stimmung gemacht. Schusswaffengewalt nimmt zum Beispiel aber seit Jahren immer weiter ab. Seit dem Peak 1997 sind sie um fast 75 % gefallen. Wenn die AfD nach Vornamen von deutschen Messer-Angreifern in Berlin 2023 zum Beispiel fragt, erfahrt ihr die Antwort nicht: Denn die häufigsten Vornamen sind Christian und Alexander gewesen.
Ich will damit nicht herunterspielen, dass es keine Kriminalität gäbe oder Bereiche, in denen Probleme real sind. Aber weder gibt es eine nie dagewesene Kriminalitätsexplosion, noch sind Ausreisepflichtige oder Nicht-Deutsche dafür verantwortlich. Tatsächlich verhindern diese Lügen und Feindbilder sogar eine sinnvolle Diskussion über echte Lösungen!
Das ifo-Institut hat eine Studie gemacht und festgestellt, dass mehr Migration nicht zu mehr Kriminalität geführt hat. Die meisten Tatverdächtigen sind Deutsche. Und Nicht-Deutsche sind auch nicht wesentlich überproportional kriminell, wenn man berücksichtigt, dass auch ein großer Teil der Nicht-Deutschen, die hier tatverdächtig werden können, gar nicht hierlebt. Dieser Denkfehler ist so weit verbreitet, sogar Innenministerien fallen immer noch darauf herein, und mussten teilweise schon ihre Kriminalitätsstatistiken zurückziehen und bearbeiten deswegen!
Die deutsche Medienlandschaft verschweigt systematisch die meisten Straftaten von Deutschen
Falls das nicht deutlich wurde: Ausländer – Touristen, Durchreisende, Pendler, wasauchimmer – können auch einfach herkommen und Straftaten verüben. Und wieder wegfahren. Dafür können die hier lebenden Nicht-Deutschen aber nichts. Deutsche sind in Österreich deshalb auch überproportional kriminell. Niemand würde deshalb sagen, Deutsche hätten eine problematische Kultur mit Kriminalität, oder?
Warum so viele Menschen ein völlig falsches Bild von der Entwicklung der Kriminalität haben und wer hauptsächlich für sie verantwortlich ist, liegt daran, dass die deutsche Medienlandschaft inzwischen über Tatverdächtige genauso spricht wie die AfD. Das meine ich ernst. Eine Langzeitstudie hat gezeigt: Auch etablierte Medien berichten in den letzten Jahren nicht nur viel mehr über Kriminalität als früher – selbst in Zeiten, als Kriminalität auf historischen Tiefstständen war! – sondern sie berichten meistens nur über die Straftaten von Nicht-Deutschen. Und wenn sie die Herkunft erwähnen, dann fast ausschließlich (95 %!), wenn es sich um Nicht-Deutsche handelt. Genau wie die AfD. Obwohl sie eine Minderheit der Tatverdächtigen ausmachen! Sprich: Unsere deutsche Medienlandschaft verschweigt systematisch die meisten Straftaten von Deutschen.
Studie: Die größte Tätergruppe wird systematisch verschwiegen
Und ich habe jetzt viel über Nicht-Deutsche und Vornamen gesprochen. Aber angeblich soll es ja nur um Ausreisepflichtige gegangen sein, nicht wahr? Es geht nicht um Ausreisepflichtige. Zu denen übrigens auch Leute zählen mit abgelaufenen Visa – oder sogar EU-Bürger. Hier zum Beispiel, ebenfalls von Tobias Wilke gefunden: Ein Fall eines Polen, dem wegen Raubes das Recht auf Freizügigkeit aberkannt worden war und der in Deutschland von der Polizei aufgegriffen wurde. Das ist auch ein Ausreisepflichtiger. Der sich nicht an unsere Regeln hält. Aber an den hat sicherlich keiner gedacht, als es ums Stadtbild ging, nicht wahr?

Und wen schieben wir wirklich ab?
Und wen schieben wir bitte schön eigentlich ab? Sind das diese Arbeitslosen, die sich nicht an Regeln halten? Oder doch solche:
Am Montag, dem 19. Mai 2025, betraten Beamte der Naumburger Ausländerbehörde und der Polizei um 8 Uhr die Sporthalle der Georgenschule. Die zehnjährige Nadira (Name geändert) war gerade in ihren Sportklamotten, als der Schulleiter und ein uniformierter Mitarbeiter der Ausländerbehörde eintraten. Nadira begriff sofort, dass es um sie ging: Sie klammerte sich an ihre Sportlehrerin, flehte um Hilfe, weinte vor Angst. Unter lautem Schluchzen wurde sie mitgenommen und in ein wartendes Polizeiauto gesetzt, in dem bereits ihre Eltern – die ebenfalls abgeschoben werden sollten – saßen. Traumatisierte Kinder mussten mitansehen, wie ihre Mitschülerin unter Tränen einfach mitgenommen wurde.
Nadiras Familie stammt aus Syrien, suchte Schutz nach dem fürchterlichen Bürgerkrieg, lebte seit Jahren in Naumburg. Ihr Vater arbeitete, die Kinder gingen zur Schule und lernten Deutsch. Ihr Asylantrag war im Zuge des Dublin-Verfahrens abgelehnt worden – zurück nach Bulgarien, wo sie zuerst registriert waren.
Oder diese Fachkraft aus Georgien: Ein Photovoltaikmonteur wurde abgeschoben, obwohl die Branche Nachwuchs sucht, nur um ihn später für ein teures Visum zurückzuholen. Oder ein Uni-Dozent aus Afghanistan: Er wurde wegen Dublin-Vereinbarungen nach Ungarn abgeschoben. Noch im Januar wurde eine schwerkranke Frau aus Georgien von ihrer Familie getrennt und ihre Kinder sowie der Vater wurden nach Georgien abgeschoben. Sie selbst hat einen Hirntumor und durfte wegen Reiseunfähigkeit nicht abgeschoben werden. Jetzt liegt also eine Schwerkranke alleine im Krankenhaus und die Kinder, die von ihrer Mutter getrennt sind, weinen die ganze Zeit, wie berichtet wird.
Erst vor wenigen Tagen, wurden Rouaa und Ibrahim um 4 Uhr nachts aus dem Bett geklingelt, um sie in den Abschiebeflieger zu setzen. Die beiden Geschwister sollten eigentlich eine Ausbildung antreten.
Die Scheinlösung, die nur Probleme bereitet
Sie arbeiten, gehen zur Schule, in die Ausbildung. Die werden abgeschoben. Und auch auf wen das nicht zutrifft: Das sind immer Tragödien. Diese ganze Stadtbild-Debatte ist einfach riesen Heuchelei und Lügerei. Hier sind rechte Lügen auf rechte Mythen aufgebaut.
Denn natürlich meinen sie nicht nur die „Illegalen“, die sich nicht an unsere Regeln halten. Sie sprechen bei Kriminalität nur über die Herkunft, Hautfarbe und Vornamen. Spahn hatte es doch sogar zugegeben. Rassisten wollen nicht nur „Aureisepflichtige“ ausweisen, sie wollen, dass ihr bei jedem mit anderer Hautfarbe und Vornamen denkt, dass das „die“ sind, die „illegal“ sind. Sie wollen in unseren Köpfen die Hautfarbe und den Aufenthaltsstatus verknüpfen.
Denn wenn es doch alle diejenigen sind, deren man „im Gesicht sehen“ kann, ob man sie „loswerden muss“ – und gedanklich ist vom Stadtbild dahin nur ein winziger Schritt –, landet man bei der AfD. Dann kommt man bei Remigration raus. Der millionenfachen Vertreibung von Menschen anderer Herkunft, einschließlich deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Das sage nicht ich, das sagt die AfD.
Und wer gibt Merz recht? Die AfD.
Die AfD hat das Stadtbild nämlich auch so verstanden: Alice Weidel gibt Merz recht: Sie lobt, dass Merz das „Problem klar benennt“ – nur kritisiert sie ihn dann ebenfalls dafür, dass er es „vergrößert“ durch Migration und Einbürgerungen. Und die AfD weiß, dass es nicht nur um „Ausreisepflichtige“ geht. Deswegen wissen wir ja auch nicht, wie viele von denjenigen, die Merz beim „Stadtbild“ zustimmen, solche Rassisten und Rechtsextremisten sind. So ein Applaus ist kein Grund zur Freude.

Die Recherchegruppe DieInsider hat sich in den AfD-Gruppen umgeschaut, wie dort über Stadtbild gesprochen wird. Die applaudieren Merz, aber sagen dann, dass er nicht seine rassistische dogwhistle zu Ende denkt: Alle “Migranten” abschieben, auch DEUTSCHE. Die SIE als “MIGRANTEN” bezeichnen. Denn die AfD will entscheiden, wer WIRKLICH deutsch ist.

Und wir haben noch dutzende weitere Kommentare, die alle ins gleiche Horn blasen. Aber wir müssen die alle hier nicht reproduzieren. Deutschen abzusprechen, Deutsch zu sein und sie abschieben zu wollen, ist die Definition von Remigration. Und das ist nicht nur rassistisch, sondern klar verfassungswidrig, hat das Bundesverwaltungsgericht zum Beispiel festgestellt.
Merz macht Wahlkampf für die AfD
Merz holt damit auch keine Wähler von der AfD zurück. Das sagt auch eine CDU-nahe Stiftung: Die CDU kann diese Rechtsextremisten nicht mehr zurückgewinnen. Diese Leute sehen sich von Merz bestätigt – darin, die AfD zu wählen. Es sind nicht nur „Linke“, die wissen, wie Merz’ Aussage zu verstehen ist. Wenn man diesen Gedanken zu Ende denkt – und Spahn und Söder haben ja zugegeben, dass es nicht nur um den Aufenthaltsstatus geht! – Dann kommt man bei den Nazi-Fantasien der AfD von Vertreibung von Millionen Menschen heraus. Was in Potsdam in der Geheimkonferenz besprochen wurde. Buchstäblich: Der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, sprach dort davon, dass das „Straßenbild“ sich ändern müsse.
Deswegen gibt es so riesige Proteste gegen Merz. Gegen das ZDF, das ihm hilft, sich nicht dafür entschuldigen zu müssen. Denn an der Stadtbild-Aussage ist einfach alles falsch. Und es ist deshalb so tragisch, weil wir ja alle wissen, dass es echte Probleme gibt:
Selbst wenn die Probleme echt sind, die Lösung ist die falsche!
Es gibt ein Problem mit Gewalt gegen Frauen. Häusliche Gewalt, Femizide. Es gibt Armut, Probleme mit Sauberkeit in den Innenstädten. Wohnungsknappheit, schlechte Arbeitsbedingungen und so weiter. Aber das Problem wird nicht dadurch gelöst, dass wir die zehnjährige Nadira aus dem Unterricht zerren. Nicht mal, indem wir alle Ausreisepflichtigen abschieben. Nicht einmal, wenn wir, wie die AfD es will, jeden Nicht-Deutschen aus dem Land werfen und sogar die Faschisten entscheiden lassen, wer „deutsch“ genug ist, und Leuten die Staatsbürgerschaft entziehen.
Denn abgesehen vom katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Ruin, der entstehen würde, wenn wir etwa jeden dritten Menschen, der in diesem Land lebt, deportieren würden, wären dann die meisten Straftäter und Gewalttäter immer noch in diesem Land, weil es halt Deutsche sind. Merz kann nicht mit seinem Stammtisch-Bauchgefühl diese Realität wegpoltern. Und selbst wenn ihm eine Mehrheit zustimmen würde, heißt das nicht, dass die Problembeschreibung und der Lösungsansatz echt sind.
Zehn Forderungen der „Töchter“
50 Frauen aus Kunst, Wissenschaft und Politik haben einen offenen Brief an Merz verfasst: Die „Töchter“ beklagen, dass ihre echten Sorgen für rassistische Lügen missbraucht werden.
Und fordern vom Kanzler diese zehn Punkte:
- bessere Strafverfolgung bei sexualisierter und häuslicher Gewalt.
- Frauenmorde ins Gesetzbuch aufnehmen.
- bessere Beleuchtung und Überwachung öffentlicher Räume.
- verlässliche Datenerhebung zu Gewalt gegen Frauen.
- ausreichend finanzierte Frauenhäuser und Schutzräume.
- Gewaltschutzgesetz finanzieren und Anerkennung rassistisch motivierter Gewalt.
- Schutz vor digitaler Gewalt und Rassismus im Netz.
- Recht auf körperliche Selbstbestimmung einführen, durch eine Reform des Abtreibungsrechts.
- finanzielle Unabhängigkeit von Frauen stärken.
- Altersarmut von Frauen bekämpfen.
Dann helft euren Töchtern, statt nur über Abschiebungen zu reden
Wer Merz’ Aussage zustimmt, wird doch nichts gegen diese Vorschläge haben, oder? Wer die Sicherheit der „Töchter“ ernst nimmt, wird doch sicher nichts dagegen haben, oder? Oder ging es doch um Rassismus? Wer bis hierhin gelesen hat und immer noch der Meinung ist, das sei alles nur „linke Übertreibung“: Zum einen danke für deine Geduld und Offenheit für andere Argumente, zum anderen: Dann zeigt, dass es nicht um Rassismus ging. Dann setzt euch für einige der vorgeschlagenen Maßnahmen ein.
Für legale Fluchtwege, für bessere Integration. Spahn sagte, als er erklären wollte, dass Merz junge Männer aus dem arabischen Raum meinte, das sei nicht angeboren, sondern angelernt. Selbst wenn du dieser Aussage zustimmst: Warum investieren wir dann nicht in Integrationskurse, schaffen Anreize für die Integration in Form von nachhaltigen Bleibeperspektiven – anstatt sie abzuschaffen und ständig nur auf Abschiebungen zu schielen? Schüler und junge Leute in Ausbildung aus dem Unterricht und dem Bett zu zerren und in den Abschiebeflieger zu setzen – wegen des Stadtbilds?
Ein Überlebender des rechtsextremen Terroranschlags von Hanau, Said Etris Hashemi, erklärte: „Menschen starben, weil sie dem Täter nicht ins Stadtbild passten.“ Er fühlte sich ebenfalls angesprochen von Merz’ Aussage. Und er sagte: “Ich habe Kindheitsfreunde und meinen kleinen Bruder verloren. Ich weiß, was es bedeutet, wenn ich sage: Sprache schafft Realität. Deshalb höre ich genau hin, wenn Politiker über „das Stadtbild“ sprechen. Dahinter verbirgt sich nicht der Anspruch, stärker in die öffentliche Daseinsvorsorge zu investieren, Häuser zu sanieren, Armut zu bekämpfen oder Kriminalität zu reduzieren. All das hätte der Bundeskanzler tun können. Und viele Menschen hätten zugestimmt.”
„Ich bin das Stadtbild, vor dem Merz warnt.“
Und ich möchte diesen Text einfach mit seinen Worten enden, die er im „Freitag“ veröffentlicht hat:
„Ich könnte an dieser Stelle aufzählen, dass ich hier geboren bin, Steuern zahle, Bürger dieses Landes bin. Das mag auch alles stimmen. Dennoch: Selbst wenn ich all das nicht wäre, darf sich die Achtung vor Menschen in diesem Land nicht an deren wirtschaftlichem Nutzen bemessen. Die Würde des Menschen zu achten, ist Pflicht aller staatlichen Institutionen. Das sollte auch der Bundeskanzler verinnerlichen.
Ich wünsche mir ein Deutschland, das sich endlich traut, ehrlich in den Spiegel zu schauen. Ein Land, das versteht, dass es an einem Wendepunkt steht und jetzt zu entscheiden hat: In welche Richtung soll es gehen? Ein Land, das sich selbst so sieht, wie es ist – vielfältig, laut, widersprüchlich, lebendig. Nicht perfekt, aber echt.
Ich bin das Stadtbild, vor dem Merz warnt. Ich will, dass Deutschland endlich den Mut hat, sich zu dem zu bekennen, was es ist: eine Einwanderungsgesellschaft. Und dass die Politik sich dazu bekennt, diese Einwanderungsgesellschaft konstruktiv zu gestalten, statt sie zu bekämpfen.”
Artikelbild: Merz: EUS-Nachrichten, shutterstock.com, Demo Bremen (rechts): Focke Strangmann/dpa, Demo Berlin (links): Lilli Förter/dpa