„Problem im Stadtbild“: Wie Kanzler Merz die rechtsextreme Ideologie der AfD normalisiert

16. Oktober 2025

„Problem im Stadtbild“: Wie Kanzler Merz die rechtsextreme Ideologie der AfD normalisiert

Kommentar: Mit einem perfiden „racial profiling“ der gesamten Bevölkerung hat der Bundeskanzler erneut die Grenzen politischen Anstands verletzt und Menschen mit Migrationshintergrund schwer beleidigt. Seine Äußerungen verletzen den Geist von Artikel 3 des Grundgesetzes

von Christian Schwägerl3 Minuten

Leben in Deutschland in Zukunft 90 Millionen Menschen? (Symbolfoto)

Ein Bundeskanzler muss viel reden. Wie jeder weiß, kann einem im schnellen Fluss der Worte auch mal ein Fehler unterlaufen. Man nennt es Versprecher, wenn einem unfreiwillig etwas über die Lippen rutscht. Von einem Patzer spricht man, wenn das Gesagte negative Folgen hat. Kanzler Merz hat es am Dienstag allerdings zur nächsthöheren Kategorie geschafft: der Entgleisung.

Eine Entgleisung hat zur Folge, dass der Zug der aneinandergereihten Wörter anschließend im Graben liegt, weil er die vorgegebenen Schienen gesellschaftlichen Miteinanders verlassen hat. Der Schaden ist riesig und Menschen, die die Wucht der Worte trifft, verspüren einen tiefen Schmerz.

In Potsdam äußerte sich der Kanzler zur Migrationspolitik. Er rühmte sich damit, dass seine Regierung schon viel unternommen und die illegale Einwanderung stark reduziert habe. Und dann sagte Merz: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem.“

Vom Stadtbild ist in der Bundespolitik selten die Rede. Im Kontext seines Themas, der Migration, gibt es nur wenige Merkmale dafür relevant sind: die Hautfarbe der Menschen auf den Straßen, ihre Kleidung, sowie Geschäfte, Kulturzentren oder Gotteshäuser, die Eingewanderte betreiben.

Rechtsextreme werden Merz’ Satz feiern

Im Stadtbild ein Problem? Man will, wenn man diese Worte hört, an zugeparkte Gehwege, marode Schulen, leblose Bürohochhäuser oder herumliegenden Müll denken – was das Stadtbild eben so beeinträchtigen kann. Aber Merz meint damit: Menschen, Mitbürger und ja, auch deutsche Staatsbürger.

Es ist beschämend, wenn nach dem bayerischen Ministerpräsidenten nun der Bundeskanzler Menschen im Stadtbild zum Problem erklärt. Das ist die Sprache der AfD und noch weiter rechts stehender Gruppen. Sie werden diesen Auftritt des Kanzlers als Normalisierung ihrer extremistischen Ansichten feiern. So ein Satz würde international Beachtung finden, wenn US-Präsident Trump ihn äußern würde. Er würde ihm – zurecht – als Ausdruck von Rassismus und einer Nähe zur Ideologie der white supremacy ausgelegt. Denn die abstoßend ekelhafte Implikation von Merz Aussage ist: Das „Problem“ im Stadtbild wird geringer, wenn es weniger Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe gibt.

Ein Schlag ins Gesicht vieler Menschen

Merz’ Satz ist auch ein Schlag ins Gesicht aller, die sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten um ein gelingendes Miteinander, um Integration und um einen Dialog zwischen Menschen mit verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen bemüht haben. Wer, der einen Migrationshintergrund hat, soll sich von Merz Äußerungen nicht angesprochen fühlen?

Es wird jetzt noch klarer, dass es dem Kanzler eben nicht darum geht, illegale Einwanderung zu unterbinden und frisch Eingewanderte, die schwere Verbrechen begehen, wieder auszuweisen. Mit einer Art bundesweitem racial profiling aus dem Kanzleramt erklärt Merz die Hautfarbe und Kleidung aller Menschen, die nicht weiß und mit seinem verengten Blick „normal deutsch“ aussehen, zum Problem. Wer glaubt, so der AfD Wähler abluchsen zu können, irrt. Die rechtsextremistische Partei wird sich bestätigt sehen und das entsprechend ausschlachten.

Schrille Warnsignale

Leider ist es nicht Merz’ erste Entgleisung: 2023 verunglimpfte er arabischstämmige Jungen pauschal als „kleine Paschas“ und sagte bei einem bayerischen Volksfest: „Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland.“ Im Bundestag nahm er es in Kauf, mit der AfD eine Mehrheit zu bilden. Und bei der Wahl von Verfassungsrichtern erlaubte Merz es, dass die Bundestagsfraktion der Union sich von einer Desinformationskampagne von Rechtsaußen steuern ließ.

Das sind schrille Warnsignale: Was kommt nach den Aussagen zum „Stadtbild“ als Nächstes?

In Artikel 3 des Grundgesetzes steht: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

Den Geist dieses Staatsgrundsatzes hat Merz mit seinem Satz auf eklatante Weise verletzt.

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RiffReporter
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