Studie: Die größte Tätergruppe wird systematisch verschwiegen

19. Oktober 2025

Ja, die Medien verschweigen dir was beim Thema Kriminalität. Aber anders, als dir immer eingeredet wird. Eine neue Studie zeigt: Die größte Gruppe an Tatverdächtigen wird systematisch verschwiegen.

Wenn es um Kriminalität geht, dann berichten Medien sehr viel häufiger über ausländische Tatverdächtige – und so gut wie nie über deutsche. Das zeigt eine neue Auswertung von hunderten Zeitungs- und TV-Berichten für 2025. Wird die Herkunft von Tatverdächtigen bei Gewalttaten genannt, geht es fast immer um Ausländer. Und wenn der Tatverdächtige Deutscher ist, wird das meist weggelassen.

Das verzerrte Bild von Kriminalität in den Medien ist heute schlimmer als früher. Der ständig wiederholte Vorwurf von Rechten, es gebe „eine Lückenpresse“ und man „dürfe über Kriminalität nicht alles schreiben“, hat gewirkt. Allerdings anders, als man zuerst denkt. Es ist die Kriminalität von Deutschen, die inzwischen kaum noch in Medien vorkommt. Und das, obwohl Deutsche mit Abstand die meisten Straftaten verüben.

Ein Beispiel: Im Februar 2025 fährt ein junger Afghane in München mit dem Auto in eine Gewerkschafts-Demo. Zwei Menschen sterben. Alle Medien berichten ausführlich, teilweise mit Live-Schalten von vor Ort. Die ARD sendet einen „Brennpunkt“. Keine drei Wochen später: In Mannheim fährt ein 40-Jähriger in eine Menschenmenge und tötet ebenfalls zwei Menschen. Als bekannt wird, dass der Tatverdächtige (nicht Täter!) ein Deutscher ohne Migrationshintergrund ist, flaut die Berichterstattung ab. Es gibt nur halb so viele Berichte, einen ARD-Brennpunkt gibt es nicht. Die Medien interessieren sich nicht für alle Fälle gleichermaßen.

Nur halb so viele Artikel zu Mannheim wie zu Magdeburg & München

Ausländische Tatverdächtige dreimal häufiger in Medien

Das ist kein Sonderfall, wie neue Zahlen zeigen: In TV-Berichten werden zu 95 Prozent Ausländer als Tatverdächtige genannt, wenn die Herkunft erwähnt wird. In Zeitungsberichten sind es 91 Prozent. Eine starke Verzerrung. Zum Vergleich: Laut polizeilicher Kriminalstatistik machen Ausländer ein Drittel (34,3 Prozent) der Tatverdächtigen bei Gewalttaten aus.

Damit kommen ausländische Tatverdächtige in Medienberichten dreimal häufiger vor, als es ihrem tatsächlichen Anteil an Gewalttaten entspricht, so der Medien-Forscher Thomas Hestermann für den Mediendienst Integration. Er erforscht seit Jahren die Kriminalitätsberichte in deutschen Medien. Die Medien würden heute häufiger die Nationalität nennen: Jeder dritte Zeitungsbericht nennt inzwischen die Herkunft, in TV-Berichten ist es jeder Vierte. Und die Verzerrung war noch nie so stark wie in diesem Jahr.

Die stille Zensur

Umgedreht bedeutet das, obwohl 66 Prozent der Tatverdächtigen Deutsche sind, werden sie nur in 9 Prozent der Zeitungsberichte oder 5 Prozent der Fernsehberichte erwähnt – eine krasse Zensur!

Jetzt denkst du bestimmt: Klar, warum sollte man das jedes Mal erwähnen, wenn ein Straftäter Deutscher ist? Ist doch normal! Und das ist genau der Punkt: Die Herkunft sollte überhaupt nur erwähnt werden, wenn sie etwas mit der Tat zu tun hat. Aber es scheint, als ob viele Journalisten in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, sie bei Ausländern lieber immer zu nennen. Sonst könnte einem ja noch jemand vorwerfen, sie wegzulassen.

Nichts kann Vorurteile so sehr triggern wie Berichte zu Verbrechen und Migration. Deswegen nennen Journalisten die Nationalität von Straftätern „in der Regel“ nicht, so der Deutsche Presserat in seinen Empfehlungen. Der Presserat ist die freiwillige Selbstkontrolle der deutschen Medien. Die Herkunft sollte nur bei schweren Straftaten genannt werden und wenn sie zum Verständnis der Tat wichtig ist. Aber auch hier gab es Änderungen. Und das hat mit der Kölner Silvesternacht zu tun.

Indirekte Folge der Kölner Silvesternacht

An Silvester 2015 wurden in Köln hunderte Frauen Opfer sexueller Übergriffe. Die meisten Täter kamen aus Algerien oder Marokko. Der deutsche Presserat änderte daraufhin 2017 seine Empfehlungen. Nun reichte auch ein „besonderes öffentliches Interesse“ aus, um über die Herkunft von Tatverdächtigen zu berichten. Zu mehr Klarheit hat das aber offenbar nicht geführt. Medien nennen jetzt häufiger die Nationalität – und sie nennen sie fast nur noch bei Ausländern.

Nur um das noch mal festzuhalten: Es geht nicht darum, die Herkunft von Straftätern zu verschweigen. Natürlich müssen Medien weiter über „Außergewöhnliches“ berichten können. Aber etwas „anderes als die Vergrößerung des Außergewöhnlichen ist die Verzerrung“, so Hestermann. Es gehört zur Sorgfaltspflicht von Journalisten und Redaktionen, von Fall zu Fall abzuwägen, ob die Herkunft genannt wird. „Reine Neugier ist kein geeigneter Maßstab“, sagt auch der Presserat.

„Heißt der Tatverdächtige Jan, bleibt die Nationalität unerwähnt.“

Wie schwierig das ist, zeigt das Beispiel der „Messerangriffe“. So berichtet zum Beispiel die Deutsche Presseagentur über die Nationalität von Messerangreifern, wenn die Taten „in großer Öffentlichkeit stattfinden, Kinder verletzt werden oder es Hinweise auf einen politischen, religiösen oder kulturellen Hintergrund gibt“.

Nur scheinen alle diese „Ausnahmen“ nur bei ausländischen Tätern eine Rolle zu spielen. In Berichten über Messerkriminalität nannten Medien die Herkunft fast immer nur bei Ausländern, wie eine Untersuchung von 2023 zeigte. Obwohl die Hälfte aller Tatverdächtigen bei Messerangriffen Deutsche sind. „Heißt der Tatverdächtige etwa Siegfried, Jan oder Hartmut, bleibt die Nationalität unerwähnt“, fasst Hestermann zusammen.

Nachgeben gegenüber rechtem Druck

Ein weiterer Grund liegt bei der Polizei: Die Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen und Bayern haben dieses Jahr erklärt, sie wollten ab jetzt immer die Herkunft von Tatverdächtigen nennen – also bei Ausländern wie bei Deutschen. Die Behörden begründeten das mit der „Diskussion über die Nationalität von Tatverdächtigen in den sozialen Medien“. Man wolle so mehr Transparenz erreichen.

Der Presserat warnte vor dieser Schein-Transparenz. Und die neuen Zahlen zeigen: Tatsächlich scheint die vermeintliche Transparenz dazu zu führen, dass Medien immer einseitiger über Straftaten berichten. Eine Einseitigkeit, die direkt rassistischen Vorurteilen und der rechtsextremen AfD in die Hände spielt. Ein Rechtsruck in der Medienlandschaft, den niemand anspricht.

Artikelbild: fizkes, shutterstock.com

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