Mehr Sicherheit auf der Straße:  – warum Regeln gut sind und Politik nicht länger wegsehen darf

20. Oktober 2025

Mehr Sicherheit auf der Straße:  – warum Regeln gut sind und Politik nicht länger wegsehen darf

Verkehr ist ein sozialer Raum. Wenn Regeln nicht gelten, leiden Rücksicht und Sicherheit. Politik muss Vorschriften durchsetzen – damit alle Verkehrsteilnehmenden sicher mobil sein können. Die Mobilitätskolumne.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets: Andrea Reidl

3 Minuten

43.000 Menschen wurden im vergangenen Jahr bei Kollisionen im Verkehr schwer verletzt.

Gerade noch rollte ich gedankenversunken über den Radweg, jetzt stehe ich mit weichen Knien im Gebüsch. Ein E-Rollerfahrer hat mich geschnitten – lautlos, schnell, wahrscheinlich gedankenlos. Aufgeschreckt schlenkerte ich und landete im Buschwerk. Als ich aufblickte, war der Jugendliche bereits um die nächste Ecke verschwunden. Gut so! Eine Auseinandersetzung hätte wahrscheinlich wenig gebracht.

Wir alle kennen solche Szenen aus unserem Alltag: Fußgänger*innen erschrecken sich vor Radfahrenden, Radfahrer*innen sich vor Autos und Bussen, und wer ein Auto fährt, fühlt sich von anderen Autofahrer*innen, Fußgängern und Radfahrenden bedrängt. Die meisten von uns tolerieren die kleinen und größeren Fehltritte der anderen im Straßenverkehr. Würden wir jedem sein Unvermögen vorhalten, kämen wir noch langsamer ans Ziel. Außerdem würde sich die Stimmung deutlich anheizen. Und das wäre brisant. Denn der Straßenverkehr funktioniert nur, wenn alle Teilnehmenden sich an die Verkehrsregeln halten, Rücksicht nehmen und die Fehler der anderen auch mal weglächeln. Mittlerweile hat dieses Konstrukt allerdings bedenklich viele Risse bekommen. Und das ist gefährlich für alle.

Erosion der Regelakzeptanz

Verkehrsregeln werden oftmals nur noch als Empfehlungen wahrgenommen. „Die Menschen stellen ihre Eigeninteressen über die Verkehrsregeln“ – das höre ich immer wieder von Verkehrsplaner*innen aus Verwaltungen. In ihren Postfächern landen regelmäßig Beschwerden über Autofahrende, die Rad- und Gehwege zuparken, oder Radfahrende, die auf Gehwegen fahren, obwohl es ausdrücklich verboten ist.

Das ist ein Problem, das Verkehrsplaner*innen nicht allein mit breiteren Radwegen, Tempo-30-Zonen oder dem Ausbau der Infrastruktur lösen können. Vielmehr sind Politiker*innen und Behörden gefordert. Sie müssen dafür sorgen, dass die Regeln bekannt sind und eingehalten werden. Vor allem müssen sie deutlich machen, dass auf der Straße nicht das Recht des Stärkeren gilt.

Aggression im Straßenverkehr steigt

Studien der Unfallforscher zeigen: Der Handlungsdruck ist groß. Der Straßenverkehr wird für immer mehr Verkehrsteilnehmer*innen zum Ventil, um Druck abzulassen. Autofahrende haben in den Studien angegeben, dass sie Gas geben, wenn sie wütend sind, dass sie bremsen, um andere zu ärgern, oder bewusst drängeln.

Wohin das führt? In Paris soll im vergangenen Jahr ein Autofahrer nach einem Streit einen Radfahrer absichtlich überfahren haben. Die Gerichtsverhandlung steht noch aus. Immer wieder werden Radfahrende und Fußgänger*innen von Rasern, die doppelt so schnell unterwegs sind wie erlaubt, überfahren und getötet. In Köln starb im Frühjahr ein Mann an seinen Brandverletzungen, weil die Feuerwehr bei ihrem Einsatz von einem Falschparker blockiert wurde. Das verzögerte die Rettung. Statt per Drehleiter konnte der Mann das brennende Haus nur per Sprungpolster verlassen. Jetzt ermittelt die Kölner Staatsanwaltschaft gegen den Falschparker wegen fahrlässiger Tötung.

Falschparker behindern und gefährden täglich bundesweit Fußgänger, Radfahrende und auch andere Autofahrer*innen im großen Stil. Die Politik toleriert das. In Bremen beispielsweise finden es SPD–Politiker*innen vertretbar, dass die Menschen in einigen Straßen der Stadtteile Findorff und Neustadt auf der Straße laufen, damit Autos auf den Gehwegen parken können. Gleichzeitig steht in Findorff in maximal 500 Meter Entfernung der betroffenen Straßen ein großer Parkplatz leer. Man könnte die Situation also ohne viel Aufwand ändern, wenn der politische Wille dazu bestünde.

Die wachsende Rücksichtslosigkeit und der zunehmende Regelbruch im Verkehr werden zu einer strukturellen Gefährdung. Solange die Politiker*innen Rechtsbruch im Straßenverkehr weiterhin dulden oder relativieren, senden sie das gefährliche Signal: Rücksichtslosigkeit im öffentlichen Raum hat keine Folgen, verantwortungsvolles Handeln wird verdrängt. Diese Entwicklung bedroht uns alle auf der Straße – unabhängig davon, ob wir zu Fuß, mit dem Rad oder im Auto unterwegs sind.

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RiffReporter
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