15. Oktober 2025
MobilitätWie fahrtüchtig ist man im Alter noch? Foto: Andrey Bandurenko/stock.adobe.com
Wie beeinflusst das Alter die Fahrsicherheit? Erfahren Sie, wann ein Fahrtest sinnvoll ist und wo Sie ihn in Köln mit einem Fahrlehrer machen können.
Armin Krempa atmet tief durch. „Zweimal hätte es fast gekracht“, sagt der 77-Jährige. Doch er konnte rechtzeitig reagieren: „Ich bin noch mit dem Fuß aufs Bremspedal gekommen.“ Mit einem Hauch Sarkasmus spricht Krempa über seinen Fahr-Check, den er vor einigen Monaten absolvierte, um sich selbst etwas zu beweisen. „Ich habe gemerkt, dass ich mit meinem Volvo irgendwie anders unterwegs war.“ So nahm er in engen Straßen mit Gegenverkehr den Fuß schneller vom Gas, und in der Dunkelheit hatten die Lichter anderer Autos auf ihn wie Sterne gewirkt. „Bisher habe ich keinen Unfall gebaut“, sagt er. Und das soll so bleiben. Auf seinen Wagen will er nicht verzichten. Doch irgendwann kommen die Einschränkungen: schlechteres Hören, Sehen, langsamere Reaktionen. Freiwillige Fahrtests helfen, diese rechtzeitig zu er- kennen – bevor etwas passiert.
Gina Graf bietet solche Tests an. Die Fahrlehrerin ließ sich vor drei Jahren beim ADAC weiterbilden und darf seither die Fahrtüchtigkeit prüfen. „Viele Teilnehmer melden sich freiwillig, manche werden von Familie oder Behörden geschickt“, erzählt sie. Der Check dauert etwa 45 Minuten und findet im eigenen Auto statt. „Nach einem Vorgespräch geht es auf die Strecke“, erklärt Graf. Sie bewertet auch Konzentration und Reaktion. Denn Autofahren bedeutet mehr, als nur das Fahrzeug zu lenken. Das Ergebnis des Tests muss sie nicht weitergeben, eine Meldepflicht gibt es nicht.
Fahr-Check verpflichtend?
Auf die häufigsten Probleme angesprochen, sagt Graf: „Es fehlt oft an Einsicht.“ Vor allem bei Männern. „Ich mache das seit fünfzig Jahren, da passiert schon nichts“, ist ihre Haltung. Doch diese Selbstüberschätzung kann gefährlich werden – etwa, wenn ein Senior wie früher am Stück nach München fahren will. „Da fehlt das Bewusstsein, dass man nicht mehr so kann wie mit 35“, sagt Graf. Neue Verkehrsregeln oder moderne Technik im Auto seien selten ein Problem. Vielmehr erschweren körperliche Einschränkungen den Schulterblick und die Konzentration lässt schneller nach.
Doch die allermeisten Teilnehmenden zeigen sich einsichtig. „Sie wollen einfach eine Bestätigung fürs eigene Gewissen, damit nichts passiert.“ Solange sie akzeptieren, dass sie älter geworden sind, laufe alles gut. Bei freiwilligen Checks hat Graf „eigentlich noch nie ein negatives Gutachten ausgestellt“. Anders sieht es bei denen aus, die geschickt werden: Sie zeigen eher Schwächen. „Ich wäre dafür, dass der Fahr-Check ab einem gewissen Alter Pflicht wird“, sagt Graf.
In Deutschland gibt es so eine Pflicht nicht. In anderen Ländern schon. In Portugal müssen Autofahrer ab fünfzig ihren Führerschein verlängern lassen und ab sechzig zusätzlich ein ärztliches Attest vorlegen, das Gesundheit und Sehstärke bestätigt. Das Attest muss alle fünf Jahre erneuert werden, ab siebzig Jahren alle zwei Jahre. Ähnliche Regeln gelten in Italien, Tschechien und Spanien.
Eine EU-weite Richtlinie fehlt, auch weil Deutschland sich dagegen ausspricht. Dafür gebe es keinen Anlass, erklärte der ehemalige Verkehrsminister Volker Wissing im Frühjahr 2024. Weder hohe Unfallzahlen noch eine signifi- kante Zahl schwerer Unfälle mit Seniorenbeteiligung sprächen dafür. Eigenverantwortung sei der Schlüssel zu mehr Verkehrssicherheit.
Sehtest beim Augenarzt machen
Dr. Reiner Schwickert hält strengere Regeln für sinnvoll. Er erstellt Gutachten für Berufskraftfahrer. „In dem Bereich fordert das der Gesetzgeber“, sagt er. Für Lkw-, Bus-, Taxi- oder Mietwagenfahrer sind verkehrsmedizinische Tests Pflicht, für private Autofahrer freiwillig. „Ich verstehe nicht, warum der Gesetzgeber sich so sträubt, die Leute wenigstens zum Augenarzt zu schicken!“ Beim Führerschein reiche ein einmaliger Sehtest, der ein Leben lang gilt. Doch die Sehkraft lasse im Alter nach. Anders als in Betrieben, wo Regeln und Vorschriften Unfälle verhindern sollen, setze man im Straßenverkehr auf Eigenverantwortung. Doch was, wenn die Selbstkritik fehlt? Dann drängen oft Partner, Kinder oder Enkel auf einen Arztbesuch.
Schwickert prüft Bremskraft, Reaktion, Orientierung und Konzentration. Der Mediziner weiß, was ein Führerschein bedeutet: Freiheit, Mobilität, Selbstbestimmung, manchmal auch Status. „Mit 65 ist meist alles in Butter“, sagt er, „aber zehn Jahre später kann das anders aussehen. Das ist die kritische Phase.“ Wer freiwillig zu ihm kommt, muss nichts befürchten, auch bei einem negativen Ergebnis. Schwickert muss nichts melden, wenn der Test freiwillig gemacht wird. Der Betroffene erfährt lediglich, dass er besser nicht mehr fahren sollte. „Ob er das umsetzt, liegt bei ihm.“
Gut zu wissen: Wie gut sind Bremskraft, Reaktion, Orientierung und Konzentration? Foto: Deutsche Verkehrswacht
Anders verhält es sich, wenn jemand von Amts wegen geschickt wird, weil er im Straßenverkehr auffällig war. Um den Führerschein wieder- oder nicht entzogen zu bekommen, muss der Betroffene auf eigene Kosten nachweisen, dass er fahrtüchtig ist. Das kann teuer werden: Je nach Aufwand kostet ein Gutachten zwischen hundert und mehreren tausend Euro. Krankenkassen übernehmen die Kosten nicht. Wer nicht erscheint, riskiert den Entzug der Fahrerlaubnis. Versicherer können bei selbstverschuldeten Unfällen die Prämien erhöhen oder den Schutz verweigern. Das gilt unabhängig vom Alter. Krankheiten wie Epilepsie oder schwere Diabetes können ebenfalls die Fahrtauglichkeit ausschließen.
Eigenverantwortlichkeit und Fahrtraining
Die freiwillige Nachfrage nach Tests sei in seiner Praxis nicht gestiegen, sagt Schwickert. Denn nicht nur für Autounfälle, sondern für Verkehrsunfälle insgesamt gilt laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis): Ältere Menschen sind gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung seltener in Verkehrsunfälle verstrickt als jüngere. Im Jahr 2023 waren deutschlandweit 317.700 Autofahrende an Unfällen mit Personenschaden beteiligt, davon waren 79.101 Menschen (14,7 Prozent) 65 Jahre und älter. Das läge daran, dass sie weniger am Verkehr teilnehmen, etwa weil die Fahrt zur Arbeit entfällt, schlussfolgert das Destatis. Auch die zurückgelegte Strecke verringert sich eher mit steigendem Alter. Häufige Unfallursachen sind das Missachten der Vorfahrt, falsches Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren und Anfahren. Zu geringer Abstand, überhöhte Geschwindigkeit oder Alkohol spielen seltener eine Rolle.
Der ADAC Nordrhein fordert bei den Statistiken eine differenzierte Betrachtung und spricht sich dagegen aus, Menschen pauschal ab einem bestimmten Alter die Fahrtauglichkeit abzusprechen. „Senioren sind nicht per se ein Sicherheitsrisiko“, sagt Thomas Müther vom ADAC. Die steigende Zahl älterer Autofahrer erklärt auch die Zunahme der Unfälle in dieser Gruppe. Entscheidend sei der Gesundheitszustand, nicht das Alter. Fahrtrainings könnten die Fahrkompetenz steigern, Fahrerassistenzsysteme motorische Defizite ausgleichen. Der ADAC empfiehlt regelmäßige, freiwillige ärztliche Untersuchungen und eine kritische Selbsteinschätzung der eigenen Fahrtüchtigkeit.
Armin Krempa ist mit seinem Fahr-Check ein Vorbild. Ihm wurde bestätigt, dass er fahrtüchtig ist. Andernfalls hätte er seinen Führerschein freiwillig bei der Stadt Köln abgegeben. 2024 taten dies 37 Personen, im Jahr zuvor waren es 44. „Ich werde meinen Lappen behalten“, sagt der 77-Jährige, fügt aber hinzu: „Vorerst.“ Er will den Test regelmäßig wiederholen und verweist auf den ersten Paragrafen der Straßenverkehrsordnung: Wer am Verkehr teilnimmt, muss andere vor Schaden, Gefahr und Behinderung bewahren.
So ist es in Köln:
Die Kölner Polizei registrierte in den Jahren 2022, 2023 und 2024 insgesamt 13.939 Verkehrsunfälle mit Verunglückten im Stadtgebiet. Davon wurden 1.155 Unfälle von Autofahrern ab 65 Jahre und älter verursacht. Bei 993 Unfällen gab es Leichtverletzte, bei 153 Unfällen wurden Personen schwer verletzt und bei neun sind Menschen gestorben. Insgesamt gab es in Köln im genannten Zeitraum 108.997 Unfälle.
Quelle: Pressestelle Polizei Köln
Informationen
Fahr-Fitness-Check des ADAC
in Zusammenarbeit mit ausgewählten Fahrschulen. Informationen: 0221 / 472 76 20. Dauer: 45 Minuten im eigenen Auto Kosten: ab 95 Euro, für ADAC-Mitglieder ab 75 Euro www.adac.de.
Diese Fahrschulen bieten den Fahr-Fitness-Check an:
ATP Fahrschule, David Borsch,
Bonner Str. 484–486, 50968 Köln, Tel. 0221 / 42 04 74 64
Fahrlehrer Heinz-Peter Jülich,
Andreasstr. 2c, 50765 Köln, Tel. 0177 / 427 17 20
Fahrschule Nebgen, Dominik Wirtz,
Vorgebirgsstr. 348, 50969 Köln, Tel. 0177 / 344 78 50
Fahrschule Yöndem, Gina Graf,
Kalk-Mülheimer Str. 99, 51103 Köln, Tel. 0157 / 88 55 08 22
Ärztliches Gutachten:
Verkehrsmediziner Dr. Rainer Schwickert,
Bunzlauer Str. 1, 50858 Köln, Tel. 02234 / 933 30 50
www.dr-schwickert.de
Weitere Informationen:
Einen anonymen und kostenfreien Online-Selbsttest bietet der Deutsche Verkehrssicherheitsrat an.
Führerschein-Rückgabe:
persönlich in der Meldestelle eines Bezirksrathauses oder im Kundenzentrum Innenstadt oder schriftlich mit einer entsprechenden Erklärung an:
Amt für öffentliche Ordnung
Führerscheinstelle
Willy-Brandt-Platz 3
Eine Abgabe durch Dritte ist nicht möglich.
Die Abgabe ist endgültig. Weitere Informationen:
0221 / 221-2 68 29 und -2 68 07,
www.stadt-koeln.de, Suchwort: Führerschein-Rückgabe
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