Parainfluenza: Nein, Österreich hat keine Sperrzonen wegen eines „neuen“ Virus eingerichtet

Parainfluenza: Nein, Österreich hat keine Sperrzonen wegen eines „neuen“ Virus eingerichtet

Quelle: CORRECTIV.Faktencheck!

Faktencheck

Parainfluenza: Nein, Österreich hat keine Sperrzonen wegen eines „neuen“ Virus eingerichtet

Das Online-Magazin Karlsruhe-Insider behauptet, Österreich habe wegen eines neuen Virus Sperrzonen eingerichtet. Doch die gibt es weder, noch sind sie geplant. Und das Virus, um das es geht, ist weder neu, noch Grund zur Sorge.

von Gabriele Scherndl

Auf Tiktok verbreitet sich die Überschrift von einem Artikel über angebliche Sperrzonen in Österreich wegen eines neuen Virus. Es gibt keine solchen Zonen und kein neues Virus. (Quelle: Tiktok; Collage: CORRECTIV.Faktencheck)
Behauptung

In Österreich seien erste Sperrzonen eingerichtet worden, weil sich ein neues Virus ausbreite.

Aufgestellt von: Karlsruhe-Insider
Datum:
04.05.2024

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Bewertung

Falsch
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Falsch. Österreich hat laut Gesundheitsministerium keine Sperrzonen eingerichtet und plant das auch nicht. Weder das Ministerium, noch eine Virologin sehen Grund zur Sorge vor Parainfluenzaviren des Typs 3. Deren Virusaktivität ist normal für diese Jahreszeit, diese Viren sind auch nicht neu.

Schon das Titelbild löst Unbehagen aus: Mehrere Menschen stehen in gelben Ganzkörper-Schutzanzügen auf einer Straße, neben ihnen sind große Tanks. Der Titel des Artikels: „Erste Sperrzonen eingerichtet: Neues Virus breitet sich aktuell aus“. Der Text erschien am 4. Mai 2024 auf Karslruhe-Insider, ein Screenshot davon landete auch auf Tiktok und erreichte dort mehr als 780.000 Menschen. 

Nur: Im Text erfährt man keine weiteren Details darüber oder findet Quellen dafür, wann und wo die angeblichen Sperrzonen eingerichtet worden sein sollen. Vielleicht, weil es schlichtweg falsch ist: Es gibt in Österreich keine virenbedingten Sperrzonen. Geplant sind sie auch nicht.

Expertin Aberle betont: Parainfluenza-Aktivität ist völlig normal

Das Online-Medium Karlsruhe-Insider zitiert eine Expertin, Virologin Judith Aberle von der Medizinischen Universität Wien. Sie sagt, dass die Infektionszahlen bei den Parainfluenzaviren, speziell jene des Typs 3, vermehrt im sogenannten Sentinel-System aufgetaucht seien. Mithilfe des Sentinel-Systems (PDF) analysiert die Medizinische Universität Wien seit über 20 Jahren Proben von Patientinnen und Patienten in Österreich mit grippeähnlichen Symptomen.

Parainfluenzaviren verursachen Atemwegserkrankungen, insbesondere Typ 3 kann bei Säuglingen sowie bei immungeschwächten Kindern und Erwachsenen eine Pneumonie und Bronchiolitis verursachen.

Auch einzelne andere Medien warnten vor dem Virus. Die Zitate von Virologin Aberle, die Karlsruhe-Insider nutzt, stammen eigentlich aus einem Interview in der österreichischen Boulevardzeitung Heute von Ende April. Anders als von Karlsruhe-Insider dargestellt, gibt Aberle darin jedoch Entwarnung. Sie sagt: „Insgesamt sind die Zahlen aktuell aber auf einem relativ niedrigen Niveau, wenn man das zum Beispiel mit der Zahl der Influenzafälle oder Sars-CoV-2-Fälle vergleicht, die während der Grippesaison oder der letzten Corona-Welle verzeichnet wurden.“

Im Gespräch mit CORRECTIV.Faktencheck bekräftigt sie das: Seit Ende März seien im Sentinel-System Parainfluenzaviren des Typs 3 in etwa fünf Prozent aller Proben nachgewiesen worden. Mitte April sei die Aktivität auf 14 Prozent angestiegen, nun liege sie wieder bei etwa drei Prozent. „Das ist weder ungewöhnlich, noch besorgniserregend“, betont Aberle, die diese Zahlen auch regelmäßig auf X veröffentlicht.

Virologin Judith Aberle veröffentlicht auf X regelmäßig die Daten aus dem österreichischen Sentinel-System. Damit überwacht die Medizinische Universität Wien das Infektionsgeschehen verschiedener Viren. (Quelle: X; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Parainfluenzaviren sind auch nicht „neu“, wie der Karlruhe-Insider behauptet. Laut Aberle taucht das Virus schon „immer“ im Sentinel-System auf, es zirkuliert vor allem im Frühling. Lediglich während der Corona-Pandemie habe es bei den Parainfluenza-Infektionen eine Pause gegeben.

Gesundheitsministerium: Bericht über Sperrzone ist eine Falschmeldung

Auch im Österreichischen Gesundheitsministerium ist man nicht besorgt wegen der Parainfluenzaviren. Aufgrund der Symptomatik seien diese nicht meldepflichtig, man habe also auch keine genauen Fallzahlen, schreibt eine Sprecherin.

Zu den Sperrzonen schreibt sie: „Die in dem Artikel kolportierten Sperrzonen aufgrund von Parainfluenzaviren existieren in Österreich nicht. Hier handelt es sich um eine Falschmeldung.“

Das Bild mit den Menschen im Schutzanzug ist ebenfalls nicht aktuell. Eine Bilder-Rückwärtssuche führt zu einem Stockfoto aus 2012. Demnach zeigt es ein HAZMAT-Team, also Fachleute, die mit gefährlichen Materialien zu tun haben. Der Karlsruhe-Insider bebilderte damit in der Vergangenheit bereits Texte über radioaktiven Abfall, tödliche Tiere und die Pest.

Das Medium ist nach Eigenbeschreibung ein News-Magazin für Karlsruhe und Baden-Württemberg und die „wichtigsten Nachrichten aus Deutschland.“ Wer die Artikel schreibt, ist unklar, auf der Webseite sind keine Autorinnen und Autoren angeführt. Eine Anfrage von CORRECTIV.Faktencheck blieb bis zur Veröffentlichung unbeantwortet.

Redigatur: Viktor Marinov, Uschi Jonas

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