Vor 100 Jahren: Kein Karneval in Köln

Vor 100 Jahren: Kein Karneval in Köln

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Köln | Es ist wieder Straßenkarneval in Köln und am kommenden Montag rollt der Kölner Rosenmontagszug wieder von der Severinstorburg in die Kölner Innenstadt. Vor 100 Jahren gab es keinen Karneval in Köln. Ein Rückblick in Jahrhunderten.

Im vergangenen Jahr fuhr der Rosenmontagszug zum ersten Mal aus dem Rechts- ins linksrheinische Köln. Köln konzentrierte sich auf eine Jahreszahl 1823. Zweihundert Jahre organisierter Karneval. Alle anderen Jubiläen wurden in der breiten Öffentlichkeit ausgeblendet. Was war eigentlich 1923? 1923 besetzten belgische und französische Truppen das Ruhrgebiet. Köln war von der allierten Rheinlandbesetzung betroffen. Diese war eine Folge des Ersten Weltkriegs und war im Waffenstillstand von Compiègne am 11. November 1918 verfügt. Die Reichsregierung musste alle deutschen Truppen hinter den Rhein zurückziehen und die Siegermächte Frankreich, Belgien, Großbritannien und die USA besetzten die linksrheinischen Gebiete. Zudem gab es drei rechtsrheinische Brückenköpfe, einer darunter in Köln. In Köln sprachen die englischen Besatzer und Machthaber ein allgemeines Karnevalsverbot aus. Da durfte keine Luftschlange oder Konfetti geworfen werden. Das Absingen karnevalistischer Lieder in der Öffentlichkeit war strengstens verboten, also nichts mit durch die Stadt trecken oder sich verkleiden. Dies galt auch für das Jahr 1924. Erst im Dezember 1924 gestattete die preußische Regierung wieder den Karneval.

Der Treue Husar

Das Verbot Karneval zu feiern zog sich von 1923 über 1924 und erst 1925 war rheinischer Frohsinn wieder gestattet. Das galt auch für Sitzungen oder Bälle. Die Regierung gestattete stille Zusammenkünfte und aus den Gesellschaften wurden Familiengesellschaften. Also nichts mit Kappenfahrt und so vor 100 Jahren. 1924 allerdings veröffentlichte der Kölner Musikverlag Gustav Gerdes einen Song, den es zwar schon lange gab, aber den der Kölner Karnevalskomponist Heinrich Frantzen komponierte. Der Song vom Treuen Husar. Aber der durfte nicht gesungen werden 1924. 1925 gründete sich die Karnevalsgesellschaft Treuer Husar blau-gelb. Heute zum Traditionskorps avanciert stellt der Treue Husar das diesjährige Kölner Dreigestirn aus der Familie Klupsch. Das Lied vom treuen Husaren wurde zu einer Art Nationalhymne der Kölner obwohl es weder mit Köln noch mit Karneval etwas zu tun hat.  Die handgeschriebene auf das Jahr 1781 datierte Textfassung des Liedes fand sich im Nachlass von Caspar Carl von Mylius, der dieses Dokument von Österreich nach Köln brachte.

Die Zeit um 1924 in Deutschland und Köln

Dabei waren die Jahre zwischen 1924 und 1929 von wirtschaftlicher Stabilität gekennzeichnet und werden als die „Goldenen Zwanziger Jahre“ bezeichnet. Es war die Zeit der Weimarer Republik, in der Kunst, Kultur und Wissenschaften aufblühten. In diesen Jahren gingen alleine 14 Nobelpreise in den Kategorien Chemie, Physik und Medizin an deutsche Wissenschaftler und 1929 erhielt Thomas Mann den Literaturnobelpreis. Es war auch das Zeitalter als die Massenmedien an Wirkmacht gewannen. Das Radio nahm 1923 seinen Betrieb auf. Aber bei der Reichstagswahl 1924 zeigten sich die ersten Spuren der schweren Auseinandersetzungen mit Radikalen von links und rechts, die den demokratischen Konsens grundsätzlich in Frage stellten. In Köln wurde am 11. Mai 1924 die erste Messe auf dem Gelände in Deutz eröffnet und Konrad Adenauer war Oberbürgermeister. 1924 war der Rohbau des ersten Wolkenkratzers in Europa dem späteren Hansahochhaus fertig. Im November 1924 wurde der dicke Pitter im Kölner Dom geweiht. Themen für einen Rosenmontagszug 1924 hätte es also genug gegeben.

Rosenmontag vor 200 Jahren

Vor 200 Jahren gab es in Köln den zweiten Rosenmontagszug nach der Premiere 1823 auf dem Kölner Neumarkt. Das Motto: „Besuch der Prinzessin Venetia beim Helden Carneval“. Die Bonner und Düsseldorfer Venetia traf das Kölner Dreigestirn von 2024 bereits. Den Zug von 1824 beschrieb Christian Samuel Schier im Kölner Karnevals Almanach. Es gab einen nordischen und einen südlichen Zug. Der nordische Zug begleitete den Helden Carneval und der südliche die Venetia. Schier schreibt: „Der feierliche Straßenzug beginnt. Ihn eröffnet der General-Anführer mit seinen Adjutanten. Hierauf folgt: die garde d´honeur zu Fuß, bestehend aus den kölnischen Funken oder was das dasselbe ist: Helden, mit ihrem berittenen Anführer, Trommler und Pfeiffer an ihrer Spitze, an die sich anschließen ein berittener Marketender-Weiber-Chor“.

Rosenmontag vor 70 Jahren: „Dat löstige Patentamp Kölle“

Es war der erste Zug unter Ferdi Leisten, der 1954 durch Köln rollte mit dem Titel „Dat löstige Patentamp Kölle“. Interessant ist, dass das Festkomitee Kölner Karneval in 2024 einen Wagen mit einem streikenden Bauern zu den aktuellen Bauernprotesten mitfahren lässt. 1954 waren es die Bildhauer und Facharbeiter, die sich weigerten, in den unbeheizten Messehallen die Wagen für den Rosenmontagszug zu fertigen. Das Besondere an dem ersten Zug von Leisten war, dass er Partizipation einforderte. Zum Motto „Dat löstige Patentamp Kölle“ forderte er die Kölnerinnen und Kölner auf, lustige Entwürfe für die Persiflagewagen einzusenden. Rund 1.000 Vorschläge flatterten per Post ein und die drei besten Entwürfe wurden mit Urkunde, Orden und 150 DM ausgezeichnet.

Besonders gefiel ein Wagen, den die KG UHU mitführte. Die Gesellschaft feiert 2024 ihr 100-jähriges Jubiläum. Der Wagen trug den Titel „Fliegende Kölner Untertassen“. Hier drehten sich zwei riesige Nachttöpfe mit Besatzung.

1644 gab es ein Verbot der „Mommerei“

Vor 380 Jahren war qua Ratsedikt die „Mommerei“ verboten. Also das Verkleiden und das Feiern der Fastnacht. Wolfgang Herborn, Autor von „Die Geschichte der Kölner Fastnacht von den Anfängen bis 1600“ deutet einen Zusammenhang mit der Ansiedlung der Jesuiten im Jahr 1544 in Köln an.
Es seien religiöse Argumente gewesen, die für ein Verbot der „Mommerei“ sprachen. Statt Party gab es Predigten. Eine besondere Rolle fiel dabei der Kirche St. Maria im Kapitol zu.  In einem ersten Vermerk um 1601 heißt es: „Nachdem dat mommenwerk schimfflich und godteslesterlich soll dat selbige bei straif des thurmgangs soll verbotten werden…“ Die Aufgabe des Sekretärs war es daraus ein gedrucktes Edikt zu formulieren: „Jedermann soll wissen, dass angesichts der beschwerlichen und betrüblichen Zeit bei vielen Männern und Frauen Unbesonnenheit und Vergesslichkeit verspürt wird, dass sie gegen Gottes Gebot mit vermummten Gesicht und in Mönchs- oder Beginenkleidern in leichtfertiger Weise ihre Person unkenntlich zu machen verstehen und die Strafe Gottes nicht allein auf sich, sondern auch auf diejenigen ziehen, die ihrer Maßlosigkeit zuschauen. Deshalb wollen wir die sträfliche Leichtfertigkeit jedem hiermit verbieten“.


Transparenzhinweis
Dem Artikel liegen folgende Quellen zugrunde:
• Wolfgang Herborn, Autor von „Die Geschichte der Kölner Fastnacht von den Anfängen bis 1600“
• Michael Euler-Schmidt , Marcus Leifeld: „Der Kölner Rosenmontagszug 1949-2009“ und „1823-1948“
• Bundeszentrale für politische Bildung

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