Kölner Maikundgebung: Bitterer Blick der DGB-Jugend ins Jahr 2054

Kölner Maikundgebung: Bitterer Blick der DGB-Jugend ins Jahr 2054

Rundschau |

Mehr Lohn, mehr Freizeit und mehr Sicherheit, forderte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bei der diesjährigen Mai-Kundgebung auf dem Heumarkt. Die Zahl der Teilnehmenden überschritt locker die Tausendermarke, diejenigen eingerechnet, die das Sommerwetter nutzten, um von den Straßencafés aus dabei zu sein. In der ersten Bank vor der Bühne: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Das Bild am 1. Mai ist bunter geworden. Mit Info-Ständen präsentierten sich etliche Gruppen, die Anliegen haben, die über gute Arbeitsbedingungen bei fairen Löhnen hinausgehen. Es geht um das, was in manchen Ländern nicht selbstverständlich ist: freie Meinungsäußerung. Deshalb zeigte die Initiative „Free Human“ Fotos von Menschenrechtsaktivisten, die im Iran im Gefängnis sitzen und zum Tode verurteilt sind, darunter ein bekannter Gewerkschafter und der Rapper Toomaj Salehi. Auch an Frauen, die geschlechtsspezifische Unterdrückung nicht mehr länger erdulden wollen, wurde mit dem Slogan „Frau.Leben.Freiheit – Jin Jiyan Azadi“ erinnert.

Palästinensische Gemeinde Deutschlands bei DGB-Demo vertreten

Stark vertreten war eine Gruppe aus dem Handel, die angesichts der neuerlichen Kaufhaus-Schließung Gespenster mit sich führte. Die Toleranz bei den zugelassenen Gruppen ging so weit, dass die Palästinensische Gemeinde Deutschland Flaggen schwenken und ein Plakat mit der Aufschrift „Stoppt den Landraub. Stoppt die Annexion“ zeigen durfte.

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) war bei der Kundgebung dabei.

Copyright: Meike Böschemeyer

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lud ein, eigene Wünsche für ein gutes Leben auf bunte Pappkreise zu schreiben und in Maibäume zu hängen. „Finger weg vom Arbeitszeit-Gesetz“, „Bunt statt braun“ „Für alle 35-Stunden-Woche“, „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ oder, aus aktuellem Anlass „Europa stärken – wählen gehen“, war da zu lesen. Immer wieder waren auf der Bühne die Slogans „Demokratie braucht gute Arbeit“ und als Mahnung, dass Demokratie immer neu erkämpft werden muss, „Sowas kommt von sowas“. Die DGB-Jugend führte dazu ein kleines Theaterstück auf, das am 30. April 2054 spielt. Talkgast bei Moderator „Welkgeworden“ ist unter anderem eine Frau, die im Jahr 2024 die AfD gewählt hat, weil sie keine Zuwanderung wollte. Jetzt im Alter reicht die karge Rente nur für ein Leben in einem argentinischen Armenviertel. Hätte sie in ihrer Jugend nur den DGB-Faktencheck gelesen! Dann wüsste der Azubi ohne Wohnung und ÖPNV-Anbindung, Noah Stift, vielleicht, wie er während der Berufsausbildung über die Runden käme. Überhaupt musste die gesamte Sendung, die von überzeugten Demokraten gemacht wird, politisches Asyl in der noch neutralen Schweiz suchen, seit die AfD 30 Jahre zuvor an die Macht gekommen ist.

70 000 Sozialwohnungen fehlen in Köln

Wie schwer es Industriegewerkschaften haben, trotz des Fachkräftemangels in vielen Branchen die Arbeitgeber an den Verhandlungstisch zu bekommen, verdeutlichte Thilo Nicklas von der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Der letzte Streik liegt 22 Jahre zurück, jetzt kündigte die IG für den Sommer eine Arbeitsniederlegung an, sofern nicht alle Beschäftigten vom Arbeiter bis zum Ingenieur bald 500 Euro mehr in der Lohntüte sehen. Nicklas wies auf dabei auf die existenzielle Wichtigkeit der Branche hin: Allein in Köln würden 70 000 Sozialwohnungen fehlen – ohne die Hoch-, Tief- und Straßenbauer sei ein solcher Rückstand nicht aufzuholen.

„Wir sind aus unseren Genen heraus eine Friedensorganisation“, sagte der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis. Er warnte angesichts der „hochkomplizierten Lage“ im Nahen Osten und anderen Krisengebieten vor überhasteten Waffenlieferungen. Im Fachkräftemangel sieht er die Chance, „vom Kuchen, der da ist, etwas abzubekommen“. Die Zukunft würde aber nicht nur vom Einkommen, sondern auch von gesunden Arbeitsbedingungen geprägt, schloss Vassiliadis.

Das anschließende Unterhaltungsprogramm bestritten der Kabarettist Wilfried Schmickler, die Frauenband „Funky Marys“ und die „Microphone Mafia“ auf, die mit der 2021 verstorbenen Holocaust-Überlebenden Esther Bejarano auftrat und weiterhin ihren Namen im Bandnamen führt.

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