Kölner Kunsthistoriker mit Krebsdiagnose: „Ich lebe und liege noch nicht auf Melaten“

Kölner Kunsthistoriker mit Krebsdiagnose: „Ich lebe und liege noch nicht auf Melaten“

Rundschau |

Kölner Kunsthistoriker mit Krebsdiagnose„Ich lebe und liege noch nicht auf Melaten“

Lesezeit 5 Minuten

Hoffnung auf Heilung: Michael Euler-Schmidt empfängt in dieser Woche die Stammzellen seines Sohnes. Anschließend wird er streng isoliert, um Infektionen und eine Schwächung des Körpers zu vermeiden.

Copyright: Thomas Brill

Mit Kampfgeist begegnet der Kunsthistoriker Michael Euler-Schmidt aus Köln seiner kürzlich gestellten Leukämie-Diagnose. Sein Sohn kommt als Spender infrage.

Neuerdings denkt Michael Euler-Schmidt (70) öfter über den Tod nach. Manchmal schweift er ab und überlegt, wie es ist, wenn sich die Welt irgendwann ohne ihn dreht. „Ich mache mir Gedanken über die eigene Endlichkeit“, sagt er und lächelt. Aber er mag es nicht, wenn die Menschen, denen er begegnet, in den Leidensmodus schalten und nur noch mit gedämpfter Stimme zu ihm sprechen. „Ich lebe und liege noch nicht auf Melaten“, sagt er kämpferisch. Und er lächelt wieder. Ironie, sagt er, helfe ihm in diesen Tagen oft bei der Bewältigung des eigenen Schicksals.

Jahrzehntelang hat der Kunsthistoriker Michel Euler-Schmidt als stellvertretender Leiter des Stadtmuseums das Brauchtum, den Karneval und vor allem auch die Geschichte des Rosenmontagszugs erforscht. Als Roter Funk ist er dieses Jahr auch wieder mitgelaufen, hat Kamelle und Strüßjer geworfen. Als er abends zu Hause auf dem Sofa saß, habe er sich dann „müde und schlapp gefühlt“, auch der Husten sei recht stark gewesen. „So ist das eben nach dem Rosenmontagszug, habe ich gedacht“, erzählt er.

Ich war immer stolz auf mein Immunsystem. Plötzlich landete ich in einer großen Nachdenklichkeit.

Michael Euler-Schmidt, über seine Erkrankung

Dennoch rief Euler-Schmidt am nächsten Tag seinen Hausarzt an und zog den jährlichen Gesundheitscheck vor. Am Abend klingelte dann sein Telefon. Eine leichte Lungenentzündung, sonst ist organisch alles in Ordnung. Nur die Blutwerte sind im Keller, habe sein Arzt mitgeteilt. Es folgten weitere Untersuchungstermine, die schließlich zur Gewissheit führten, dass Euler-Schmidt am „Multilinären Myelodyplastischen Syndrom“ leidet – eine Vorstufe der akuten Leukämie. „Plötzlich landete ich in einer großen Nachdenklichkeit“, sagt er.

Stets sei er stolz auf sein robustes Immunsystem gewesen, erzählt er, als junger Mann habe er mal im Krankenhaus gelegen, nie sei er ernsthaft krank gewesen. Und dann drückt er an einem Tag im Februar im Aufzug der Uniklinik die 16, mit leisem Surren geht es aufwärts, und als die Türen sich öffnen, steht er auf der Krebsstation. „Das war dann mal was anderes“, sagt er. Seine Frau und die Kinder seien „erschüttert“ gewesen von der Krebsdiagnose. Er selbst ebenfalls. Sein Knochenmark wurde punktiert und Blutplasma tröpfelte in seine Adern. „Auf der Krebsstation habe ich Menschen gesehen, bei deren Anblick ich dachte: So will ich nicht enden“, gibt er Einblick in seine Gedanken. Menschen, die nicht mehr viel Hoffnung haben.

Sohn Feilx eignet sich als Knochenmarkspender

Doch Michael Euler-Schmidt ist voller Hoffnung. Am Wochenende ist sein Sohn Felix (30) nach Köln gekommen, denn er eignet sich als Knochenmarkspender. Am Donnerstag sollen dem Vater bereits die Stammzellen seines Sohnes verabreicht werden. „Ich habe großes Glück, das es passt“, gesteht Euler-Schmidt. In den vergangenen Tagen musste sich sein Sohn Spritzen setzen, um die Stammzellen-Produktion in seinem Körper anzuregen. Auch innerhalb der Familie ist die Übereinstimmung der genetischen Merkmale im Blut nicht zwingend. „Bei meiner Tochter hat es nicht gepasst“, sagt Euler-Schmidt. Jetzt soll sein Sohn die Rolle des Lebensretters übernehmen. Außerdem hofft er, dass sich möglichst viele Menschen bei der DKMS registrieren lassen, um im Idealfall mit einer Stammzellenspende ein Leben zu retten.

Eigentlich hatte Euler-Schmidt mit seiner Frau im Juni eine Reise in die Bretagne geplant, später sollten Städtereisen nach Porto und Lissabon folgen. „Das haben wir auf nächstes Jahr verschoben“, sagt er trotzig. Jetzt hat er seine Reisetasche für die Klinik gepackt statt für den Strand. „Ich begebe mich auf eine lange Reise, deren Ende ungewiss ist“, sagt er und ist sich bewusst darüber, nun für etwa sechs Monate in der Isolation zu verschwinden. Wenn alles gut läuft. „Das Jahr ist für mich gelaufen“, meint er, denn auch als Rentner hat er viele Verpflichtungen. Er gehört dem Deutschen Kulturrat an, leitet den Förderverein der Kölner Fachhochschule, ist Mitglied des Beirats im Bundesamt für den Katastrophenschutz, hat den Vorsitz der Messejury für die Artcologne, gehört zur Leitung einer Stiftung und hat als Kulturpreisträger des Bund Deutscher Karneval (BDK) diverse Verpflichtungen.

Vorbereitungen auf die Chemo

Das alles hat nun an Bedeutung verloren. Nun bezieht er ein Einzelzimmer in der Uniklinik, Station 4. Vor der Stammzellentransfusion muss er sich einer Chemo-Therapie unterziehen, vorab wird ein Katheter an seine Halsschlagader gesetzt. Von seinen Haaren hat sich Euler-Schmidt innerlich bereits verabschiedet. Weil der Blick in den Spiegel ungewohnt werden könnte, hat er sich bereits Mützen besorgt. Sieben Stück, denn jeden Tag muss die Wäsche in der Klinik aus hygienischen Gründen komplett gewechselt werden. Jedes Infektionsrisiko soll vermieden werden. Komische Momente werden auf ihn zukommen. „Meine Frau hat mich noch nie ohne Bart gesehen“, erzählt er und lächelt.

Trotz der niederschmetternden Diagnose hatte Michael Euler-Schmidt noch Glück. Die Krankheit ist früh erkannt worden, der Thrombozyten-Wert ist niedrig, aber stabil. „Ich kann nur jedem empfehlen, zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen, auch zum Urologen“, sagt er. In den vergangenen Wochen hat er ordentlich gegessen und acht Kilo zugelegt. „Denn ich werde in der Klinik abnehmen“, ist er sicher. Auch das Rauchen hat er aufgehört.

Als er neulich eine Woche lang zu Voruntersuchungen in der Uniklinik lag, hatte er einen älteren Herrn getroffen, der die Stammzellen-Prozedur erfolgreich hinter sich gebracht hat. Seit der Transfusion möge er jedoch kein Kölsch und keinen Rotwein mehr, hatte er erzählt. Michael Euler-Schmidt hat auch das nachdenklich gemacht. „Ich bin froh, dass mein Sohn Kölsch mag“, sagt er für den Fall, das sich der Geschmack des Spenders auf den Empfänger übertragen sollte. Dann lächelt er wieder.

Hier weiter lesen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert