„Ich hoffe, mein Englisch ist hier nicht zu gut geworden“

„Ich hoffe, mein Englisch ist hier nicht zu gut geworden“

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„Ich hoffe, mein Englisch ist hier nicht zu gut geworden“

Manideep, 25, kam nach Deutschland, um Ingenieur zu werden. Inzwischen wundert er sich über den Yoga-Hype hier und sinniert über sein neues Lieblingswort: „Privathaftpflichtversicherung“.

Foto: Prajwal Veeresha Sajjan

Manideep Allu, 25, kam aus Indien für den Master in „Chemical and Energy Engineering“ nach Deutschland. Er ist eine der Fachkräfte, die Deutschland so dringend braucht. Wir protokollieren seinen Alltag und wollen wissen: Klappt Integration? In Folge Sechs erzählt er, wann man in Indien ausgelacht wird, ob Yoga dort wirklich so ein großes Ding ist und warum er hofft, dass sein Englisch nicht zu gut geworden ist.

„Manchmal sehe ich junge Frauen mit bunten Leggins und Yogamatten unter dem Arm in Braunschweig herumlaufen. Ich finde das überraschend: Yoga ist in Deutschland beliebt und hip, in Indien aber ein Boomer-Ding – Yoga machen da nur noch ältere Leute und kleine Kinder. Yoga ist kein Sport bei uns, sondern eine Kultur, etwas Spirituelles. Dabei geht es ganz viel um Atmung, die Gedanken auszuschalten und sich in bestimmte Posen einzufinden. Vor mehr als 6000 Jahren entwickelte es sich in Nordindien. Junge Inder machen heutzutage eher Zumba oder gehen ins Fitnessstudio. Ich selbst habe Yoga auch nur als Kind oft gemacht, mit meinem Vater. Wir sind damals morgens zum Tempel gegangen und haben mehrere Stunden lang Asanas gemacht.

Darüber denke ich gerade nach, weil eine Kollegin auf der Arbeit Geburtstag hatte. Beim Kuchenessen hat sie erzählt, dass sie Yogalehrerin ist. Im Moment verbringe ich viel Zeit auf der Arbeit, denn ich will 15 Tage Überstunden aufbauen, damit ich im Sommer nach Indien fliegen kann. Denn eigentlich habe ich nur noch 15 Urlaubstage, ich bin aber einen Monat weg.

Ich hoffe, mein Englisch ist durch meine Zeit hier nicht zu gut geworden. Das wäre nämlich unangenehm, wenn ich wieder in Indien bin. In Deutschland wollen alle gerne möglichst akzentfrei Englisch sprechen. In Indien wird man ausgelacht, wenn man keinen indischen Akzent hat. 

Das liegt daran, dass wir so viele Sprachen innerhalb unseres Landes haben: 22 verschiedene. Ich spreche davon zwei – Telugu und Hindi. Kannada verstehe ich ein bisschen. Wenn man die indischen Sprachen untereinander nicht versteht, spricht man deshalb Englisch miteinander – mit indischem Akzent. Das verstehen fast alle. Wenn aber jemand plötzlich so international tut und einen britischen oder amerikanischen Dialekt vorgibt, ist das schwieriger zu verstehen. Und es wirkt auch ein bisschen angeberisch. Deshalb machen sich die Leute darüber lustig.

Hoffentlich hat mein  bester Freund, der in Kanada als Softwareentwickler lebt, keinen kanadischen Akzent bekommen. Ich weiß es nicht – denn, wenn wir telefonieren, reden wir indisch miteinander. Aber wenn er nächste Woche in Frankfurt landet, um hier zwei Wochen Urlaub zu machen, werde ich auf sein Englisch achten.

Alle Folgen der „Ankommen“-Serie

Wir machen mit drei weiteren Freunden eine Rundreise: Erlangen, Nürnberg, München, Köln, Brüssel und dann noch drei Nächte in Amsterdam. Danach besuchen wir Bekannte in Magdeburg und gehen noch nach Berlin und Hamburg. Es ist so schön, dass in Europa alles so nah ist. So können wir günstig Flixbus fahren. Insgesamt geben wir pro Person rund 300 Euro aus: Für die Fahrten und ein paar der Unterkünfte. Sehr günstig, ich weiß. Auf der Suche nach Airbnbs, Hostels und so weiter haben wir jeden Link angeklickt, der bei Google auftauchte, um den besten Preis zu finden.“

Mein bestes Erlebnis der vergangenen Wochen:

„Katzenfotos. Eine Frau namens Rebekka hat mir auf Facebook geschrieben, weil sie eine der Kolumnenfolgen gelesen hat. Manchmal schickt sie mir Fotos von ihrer Katze, Spax. Über eines habe ich vor ein paar Tagen sehr gelacht: Spax auf dem Sofa, mit einem Weinglas und Handy in der Pfote. Wir schreiben jeden Tag ein bisschen und tauschen uns aus. Sie wohnt in Bayern mit ihrer Familie und Spax natürlich und ist sehr nett. Sie erklärt mir ein paar Sachen über Deutschland.“

Meine neueste Entdeckung:

„Versicherungen. Davon hat mir Rebekka erzählt. Die sind in Deutschland total wichtig – in Indien nicht. Alle sind in Deutschland versichert: Krankenversicherung, Haftpflichtversicherung und so weiter. In Indien gibt es auch Versicherungen, aber sie sind nicht verpflichtend wie hier.“

Mein aktuelles Lieblingswort:

„Privathaftpflichtversicherung. Das ist so ein langes Wort. Und es ist mit dieser Erkenntnis verbunden, dass Deutsche sehr viel Sicherheit wollen. Jeder hat nämlich eine Privathaftpflichtversicherung, außer mir. Ich wusste davon nichts! Aber wenn irgendwas passiert … muss ich selbst bezahlen. Von meinem Gehalt. Das wäre schwierig. Und die Versicherungen sind günstig. Nur 40 Euro im Jahr. Im Vergleich zur Krankenversichung hier… die ist teuer. . In Indien hat mein Vater im Jahr 30 000 indische Rupees, also umgerechnet etwa 280 Euro, für die ganze Familie bezahlt – und wir alle waren krankenversichert. Natürlich ist da nicht alles inkludiert. Hier bin ich zum Glück bin ich durch die Arbeit krankenversichert. Aber in meiner Freizeit brauche ich diese Privathaftpflichtversicherung. Ich vergleiche gerade Preise, schließlich will ich auf der sicheren Seite sein. Dieses Sicherheitsbedürfnis – das ist schon sehr deutsch von mir, oder?“

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