Erstwähler: Was 16-Jährige in Köln über ihre erste Europawahl denken

Erstwähler: Was 16-Jährige in Köln über ihre erste Europawahl denken

Rundschau |

ErstwählerWas 16-Jährige in Köln über ihre erste Europawahl denken

Lesezeit 4 Minuten

Schülerinnen und Schüler des Thusnelda-Gymnasiums diskutieren.

Copyright: Diana Haß

Wollen sie überhaupt über das EU-Parlament mitbestimmen? Und ob! Das macht ein Gespräch mit jugendlichen Erstwählern deutlich.

„Ich finde es sehr gut, dass wir die Chance haben, zu wählen“, sagt Julian (18). Damit trifft er den Tenor der jungen Erstwähler, die sich mit der Rundschau über ihre Sicht auf Politik und Europa unterhalten haben. Zehn Schülerinnen und Schüler des Sozialwissenschaftsleistungskurses des Thusnelda-Gymnasiums in Deutz haben sich getroffen. Sie sind im Alter zwischen 16 und 19 und stehen alle kurz vor ihrer ersten Wahl.

„Ich glaube, dass sehr viele in unserem Alter an der Wahl zum EU-Parlament teilnehmen werden“, sagt Kiyan (17). Unter den zehn jungen Leuten ist nur ein Mädchen, das noch Bedenken hat, zur Wahl zu gehen. Sie habe Angst, die Falschen zu wählen, lautet ihre Begründung.

Meinungsbildung ist nicht leicht

Es ist nicht leicht, sich zurecht zu finden in den Wahlversprechen und sich eine Meinung zu bilden. „Wir haben die Wahlprogramme im Kurs durchgearbeitet“, erzählt Stinnes (16). Das fand er gut. „Aber die Wahlprogramme sind das eine, was dann wirklich passiert, ist manchmal ein großer Unterschied. Ich weiß nicht, ob ich darauf wirklich vertrauen kann“, überlegt Aysu (17). „Ich fände es gut, wenn beispielsweise die Sowi-Lehrer noch mehr Aufklärung betreiben würden und uns sagen, wer für was steht“, sagt Stinnes.

Das Thusnelda-Gymnasium hat jedoch schon einiges auf die Beine gestellt. So sind parallel zur Europawahl alle Schülerinnen und Schüler dazu aufgerufen, an einer „Juniorwahl“ in der Schule teilzunehmen. In einer Podiumsdiskussion in der Schule haben die Vertreter der demokratischen Parteien ihre Ziele und Positionen aufgezeigt. Das fanden auch die jungen Erstwähler gut. So werde es leichter, sich eine Meinung zu bilden. „Grundsätzlich finde ich den Umgang in der Politik und die Feindschaft unter den Parteien aber schlimm. Da würde ich mir einen anderen Ton wünschen und dass es mehr um die Sache geht“, kritisiert Leon (17).

„Es geht um unsere Zukunft“

Die Wahl des EU-Parlaments liegt den Schülerinnen und Schülern am Herzen. „Wir sind die junge Generation und können über unsere Zukunft mitbestimmen. Das finde ich wichtig. Es geht um unsere Zukunft“, erklärt Laura (17). Zur Wahl zu gehen sei „eine Chance“, meint Enes (19). Rahinna (16) ergänzt: „Keine Stimme ist auch eine Stimme. Also ist es wichtig, wählen zu gehen.“

„Besonders wegen der rechtsextremen Bewegung, sollte man seine Stimme abgeben“, findet Julian. Kiyan, dessen Eltern aus dem Iran geflohen sind, erinnert sich an die Angst, die ihm die Enthüllung der Überlegungen beim rechten Geheimtreffen Anfang des Jahres eingejagt hat. Grundsätzlich sind sich die Jugendlichen einig, dass rechtes Gedankengut in ihrer Generation mehr Zustimmung bekomme. „Viele verharmlosen die Rechtsextremen“, meint Can (17). „Das ist nicht mehr ein Ost-West-Problem, das gibt es auch in unserer Altersklasse“, stellt Aysu fest. Die anderen Schülerinnen und Schüler bestätigen das. Aysu berichtet von den vielen blauen Herzen in den Kommentaren bei Tiktok und Instagram. Damit zeigt man Sympathie für die AfD.

Fehlinformation als Problem

„Gerade auf Tiktok werden die Rechten sehr unterstützt“, hat auch Jelka (16) beobachtet, „Oft wird dort genau das gezeigt, was die Jugendlichen hören wollen. Oder es wird ein Problem dargestellt und dann kommt als Lösung die AfD.“ Fehlinformationen sehen die Jugendlichen als problematisch. Da falle Orientierung schwer. „Wir sind viel in den Sozialen Medien unterwegs und da wird durch den Algorithmus ja immer mehr von einer Sichtweise gezeigt“, merkt Laura an.

An der Europäischen Union zweifelt keiner der Jugendlichen. „Die wirtschaftliche Stärke Europas ist wichtig. Und das EU-Parlament ist sehr wichtig“, stellt Can fest. Es sei unverzichtbar, dass es „eine höhere Instanz“ gebe, findet Leon. Das Eigeninteresse unterstreicht Julian: „Wir wollen ja die deutschen Abgeordneten, die wirklich unsere Interessen vertreten.“

Kampf gegen Klimawandel hat Priorität

Ihre Interessen und Prioritäten benennen die Schülerinnen und Schüler klar. An erster Stelle steht der Kampf gegen den Klimawandel und das Eintreten gegen Rechtsextremismus. „Bildung ist ein wichtiges Thema und Bildungsgleichheit, die gibt es noch immer nicht“, ergänzt Laura. „Wir müssen weiterkommen bei der Digitalisierung“, findet Aysu. „Und beim Umgang mit KI“, führt Laura fort. Die europäische Migrationspolitik ist Julian ein Anliegen.

Gespannt sind die Erstwähler allesamt auf das Ergebnis der Wahl. Und in die Spannung mischt sich bei einigen auch ein bisschen Sorge. „Es könnte sein, dass viele die Wahl als eine Form von Protest sehen“, befürchtet Rahinna.

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