Eröffnung von “Acht Brücken”: Komponist Enno Poppe wird besonders gewürdigt

Eröffnung von “Acht Brücken”: Komponist Enno Poppe wird besonders gewürdigt

Rundschau |

Eröffnung von “Acht Brücken”Komponist Enno Poppe wird besonders gewürdigt

Lesezeit 4 Minuten

Steht im Zentrum des diesjährigen „Acht Brücken“-Festivals: der zeitgenössische Komponist Enno Poppe.

Copyright: KölnMusik GmbH

Das „Acht Brücken“-Festival in Köln wurde am Wochenende mit mehreren Konzerten eröffnet. Enno Poppe wird in diesem Jahr als Porträtkomponist gewürdigt.

So also fängt Kölns großes Musikfest an: Mit einem Konzert zur Einkaufszeit am Samstagmorgen, einem kurzen Hallo vom Intendanten, auf der Bühne ein Ensemble, das wir nicht kennen mit Werken von Komponisten, von denen wir zumindest die Hälfte nicht kennen, und in der Hand ein verschwiegenes Programmheft in der Größe eines Daumenkinos. Eines der Stücke ist da gar nicht erst erwähnt, die anderen werden abgehandelt in wenigen mageren Sätzen.

Der QR-Code in der Ecke hilft uns auch nicht weiter: Das Handy haben wir längst ausgeschaltet, wie es sich gehört, und als wir es draußen, nach dem Konzert, wieder aus dem Flugmodus wecken, macht uns der Scan nicht viel schlauer. Kann es sein, dass ein neuntägiges Festival mit dreißig Veranstaltungen sein Publikum nicht darüber informieren möchte, was es zu bieten hat?

Und vielleicht auch dies noch: Lässt sich das wirklich nicht vermeiden, Jahr für Jahr hier in Köln die Musik unserer Zeit zu feiern, während parallel die Wittener Tage für neue Kammermusik um ein sehr ähnliches Publikum werben – wo zudem bei beiden Festivals der gleiche Sender mit im Boot sitzt?

Weltweit angesagter Komponist ist gebürtiger Sauerländer

Natürlich fühlen wir uns augenblicklich schuldig und undankbar, dass wir grummeln. Denn wie heißt es noch mal im Sinnspruch über den geschenkten Gaul? Seien wir lieber froh, dass es sie überhaupt noch gibt, unsere „Acht Brücken“ und ihren beliebten „Freihafen“ – einen ersten Tag ganz umsonst. Der bringt auch gleich die ersten beiden Begegnungen mit dem Porträtkomponisten des neuen Jahrgangs, Enno Poppe. Dass der zufällig der Lebensgefährte der Porträtkomponistin von 2023 ist, das nennen wir an dieser Stelle einfach mal dramaturgisch ungeschickt, ärgern tut es uns nicht. Nicht nur Rebecca Saunders, auch Enno Poppe zählt gerade zum Besten, was die zeitgenössische Musik international zu bieten hat. Drum also: Herzlich willkommen, Enno!

Wie zugänglich und uneitel der 1969 im Sauerland geborene Enno Poppe ist, wird man in den kommenden Tagen noch erleben können, wie sperrig, komplex und kompromisslos seine Werke klingen, auch. „Scherben“ zum Beispiel im Auftakt mit dem wackeren münsteraner Ensemble Consord: Hier liegen scharfkantige Klang-Bruchstücke nicht fein säuberlich nebeneinander, Poppe fegt sie scheinbar wahllos auf einen großen Haufen. Wie und ob die Scherben überhaupt zusammenpassen, das herauszufinden ist ein hartes Stück Arbeit.

Das Consord-Ensemble spielt das Stück ‘Scherben’ von Enno Poppe in der Kölner Philharmonie.

Copyright: Philharmonie

Ähnlich ruppig Joanna Woznys „dia/trans“ – kompakte Episoden aus Dissonanzen scheinbar ohne Verwandtschaft. Echte Ohrenschmeichler im Vergleich die „Frames 1“ von Elnaz Seyedi und Samir Odeh-Tamimis knappes „Ja-Nari“: Einmal zieht die Musik an uns vorbei wie eine stille Prozession, die dann durch laute Einschläge mehr und mehr gestört wird, danach gibt“s ein heftiges Blechblas-Gewitter mit Schlagzeug-Donner.

Erneute Vorführung des Werkes ist mehr als gerechtfertigt

Neue und traditionelle türkische und kurdische Musik am Nachmittag, dann abends noch mal Poppe. Das dreiviertelstündige „Rundfunk“ hat man zwar an genau diesem Ort (WDR-Sendesaal), mit genau dieser Mannschaft (Poppes Ensemble Mosaik) und im gleichen Festival (!) schon mal gehört, aber bei diesem wirklich phänomenalen Werk kann es uns nur recht sein.

Wie immer sind Poppes charakteristische Ein-Wort-Titel ein erster Fingerzeig, aber man sollte die Ohren besser in alle Richtung offenlassen. Denn es stimmt schon: Der Rundfunk ist der wichtigste Geburtsort der elektronischen Musik, und immer wieder hört man hier Sounds, die einen entfernt erinnern an verzerrte Sendesignale und Jingles. Aber neun Synthesizer im Halbkreis, flankiert von mächtigen Lautsprechertürmen und alle Musiker sind gleich gekleidet: Das erinnert dann doch eher an Kraftwerk, und die sind nicht Rundfunk, Kraftwerk ist Pop.

„Rundfunk“ spielt mit all diesen Assoziationen, aber in einer Dichte und Unbarmherzigkeit, einer rhythmischen Komplexität und in einer Lautstärke, dass man am Ende das Gefühl hat, gerade überfahren worden zu sein. Allerdings von einem Fahrer, der einem im Rückspiegel freundlich zuwinkt: Denn diese Konzert-Attacke ist Heavy Metal und Comic zugleich, hat so viel Kraft wie Witz.


Weitere Poppe-Konzerte

Weitere Aufführungen beim „Acht Brücken“-Festival: „im wald“ (Installation), Mo bis So, jeweils 13 Uhr, Zentralbibliothek – freier Eintritt; „Speicher“, Mo, 6. Mai, 20 Uhr, Philharmonie; „Strom“, Mi, 8. Mai, 21 Uhr, Philharmonie; „Liebe Liebe“ (mit anderen Komponisten), So, 12. Mai, 11 Uhr und zum Festival-Abschluss am Di, 14. Mai, 20 Uhr, Philharmonie; „In der Bläue der Kachel“ (mit anderen), So, 12. Mai, 15 Uhr, Wolkenburg; „Blut“ (mit anderen), So, 12. Mai, 20 Uhr, Philharmonie.

Hier weiter lesen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert