„Die Klimakrise muss in die Klassenzimmer“

„Die Klimakrise muss in die Klassenzimmer“

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„Die Klimakrise muss in die Klassenzimmer“

Maria, 24, erlebt die Klimakrise in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa. Warum sie mehr Angst vor Untätigkeit hat als vor stärker werdenden Hurrikanen.

Foto: Maria del Carmen Pacheco

Die Auswirkungen der Klimakrise bedrohen die Lebensgrundlage von Menschen weltweit. An manchen Orten sind die Folgen schon heute besonders zu spüren. In den Klimatagebüchern berichten Menschen davon, wie sich das Leben in ihren Regionen durch die Klimakrise verändert. 

„Unsere Regierung behandelt die Klimakrise nach der alten Schule, sie kümmert sich eigentlich gar nicht um klima- und umweltfreundliche Politik und Bildung. Die Konsequenzen sind vielfältig. In den vergangenen Jahren haben Waldbrände stark zugenommen. Wir haben in den letzten 20 Jahren fast 40 Prozent unserer Waldbestände verloren. Das hat verschiedene Gründe. Aber einer der wichtigsten ist definitiv die Korruption in Honduras. Große Firmen sind mit Regierungsmitgliedern verbandelt und bekommen so immer wieder Lizenzen, um noch mehr Häuser zu bauen. Dafür werden immer mehr natürliche Flächen gerodet. Das weiß ich nicht nur aus den Medien, sondern weil ich es mit eigenen Augen gesehen habe. In meinem Viertel hatten wir viele Bäume, direkt hinter den Häusern war ein bewaldeter Hügel. Dieser Wald ist einfach verschwunden, quasi über Nacht. Jetzt stehen auf dem Hügel viele neue Häuser.  

Aber nicht nur die Wälder leiden. Unsere Korallenriffe sind stark beschädigt durch die Klimakrise, das passiert an vielen Orten weltweit. Auf den Bay Islands in der honduranischen Karibik sind große Teile der Korallen von einer Krankheit befallen, die unter anderem auf wärmere Wassertemperaturen zurückgeht. Im gesamten Land erleben wir außerdem an vielen Orten eine große Wasserknappheit: Nur 45 Prozent der Honduraner:innen haben Zugang zu sauberem Trinkwasser. Und dann die Stürme. In den letzten Jahren wurden sie viel schlimmer. 2020 hatten wir zwei starke Hurrikane, Eta und Iota. Ganze Gemeinden wurden einfach dem Erdboden gleichgemacht, knapp vier Millionen Menschen waren davon direkt oder indirekt betroffen. Mehr als 400 000 Menschen wurden damals obdachlos, manche sind es bis heute. Sie mussten ihr Zuhause verlassen aufgrund der Stürme, das ist für mich Klimamigration. Und die Regierung macht nichts für diese Menschen, das ist ein Riesenproblem.  

Oft fühle ich mich hilflos und habe Angst vor der Zukunft. Aber nicht nur wegen der Stürme, dem Wasser und den anderen Klimafolgen. Sondern auch, weil ich nicht sehe, dass sich etwas verändert. Es fehlt der Wille, glaube ich. Wir brauchen Lösungen für kurzfristige Klimaschutzmaßnahmen, aber auch für langfristige Anpassungsstrategien. Ich weiß nicht, was in zehn Jahren passieren wird, vielleicht habe ich dann auch kein Wasser mehr? Die Wasserknappheit schlägt sich auf so viele andere Dinge nieder, etwa den Anbau von Nahrungsmitteln. Das macht mir große Sorgen.  

Aber ich glaube auch fest daran, dass wir Menschen etwas verändern und verbessern können. Vieles geht nicht mit großen Schritten voran, aber auch die kleinen Schritte sind wichtig. Aus meiner Sicht ändert sich da gerade etwas in der Gesellschaft, mehr Menschen scheinen das Problem besser zu verstehen. Sie wollen es nicht länger hinnehmen. Bei mir selbst ist dieser Wunsch, die Welt zu verändern, schon seit meiner Kindheit sehr präsent. Ich habe als Kind immer Projekte entwickelt, die etwas mit Umweltschutz zu tun hatten. Es braucht ein Bewusstsein dafür, das geht nicht ohne Bildung. Aber momentan spielt die Klimakrise in den Lehrplänen keine Rolle, dabei müsste das Thema so dringend in die Klassenzimmer.  

Deswegen habe ich mit ein paar Freund:innen das Projekt „Green Footprints“ gestartet. Wir führten in einer sehr vulnerablen Gegend in Tegucigalpa Workshops durch, bei denen wir Schüler:innen, Lehrer:innen und andere Menschen aus der Gemeinde zu „Change Makern“ ausgebildet haben. Das lief folgendermaßen ab: Wir hielten inhaltliche Themenblöcke zu Klimathemen ab, die im Viertel relevant sind – wie etwa Müllprobleme oder Abholzung. Zusätzlich dazu gab es Aktionen zum Mitmachen wie Müllsammeln oder Bäume pflanzen. Das Gelernte haben die 200 Menschen aus dem Projekt dann an Familie, Nachbar:innen und Freund:innen weitergegeben. So haben wir insgesamt 2000 Personen mit unserem Umweltbildungsprojekt erreicht. Dieser Verbreitungseffekt hat uns selbst total überrascht.  

Besonders toll finde ich den Moment, wenn die Menschen realisieren, dass sie selbst die Macht haben, etwas zu verändern. Viele leben in schwierigen Umständen und haben ganz andere Sorgen als die Klimakrise. Allerdings auch, weil sie wenig darüber wissen und noch weniger darüber, dass viele ihrer Probleme mit der Klimakrise zusammenhängen. Uns ist es wichtig, den Menschen klarzumachen, dass sie nicht nur Opfer dieser Krise sind, sondern konkret Dinge verändern können. Ihre Gesichter zu sehen, wenn sie das verstehen, und wie sie aktiv werden, ist für mich ganz besonders. Eigene Selbstwirksamkeit zu sehen, verändert nicht nur unseren Geist, sondern auch unsere Einstellung. Das kann am Ende eine ganze Gemeinschaft verändern.“ 

Honduras in Mittelamerika ist eines der am stärksten von klimatischen Gefahren betroffenen Länder: Stürme, Überflutungen, Dürren und Erdrutsche treten dort verstärkt auf. Ein Problem ist der Wassermangel vor allem in ländlichen Gegenden, der schon heute viele Menschen betrifft und in der Zukunft durch die Klimakrise noch gravierender werden könnte. Modelle sagen voraus, dass bis Ende des Jahrhunderts die Regenfälle in Honduras um 20 Prozent zurückgehen werden und die Wasserverfügbarkeit somit um 41 Prozent sinkt. Etwa 65 Prozent der ländlichen Bevölkerung lebt in Armut und ist stark abhängig von ausreichend Regenfällen, um sich selbst zu versorgen.  

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