Aus für Notschlafstelle in Köln-Nippes: „Die Schließung ist eine Katastrophe“

Aus für Notschlafstelle in Köln-Nippes: „Die Schließung ist eine Katastrophe“

Rundschau |

Aus für Notschlafstelle in Köln-Nippes„Die Schließung ist eine Katastrophe“

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In dem einfachen Flachbau gab es acht Plätze des Wohntrainings in Doppelzimmern und zehn Notschlafplätze.

Copyright: Meike Böschemeyer

Die Schließung der Notschlafstelle in Köln-Nippes bedeutet einen signifikanten Verlust an Unterstützung für Drogenabhängige im Stadtgebiet.

Sie war ein Zuhause auf Zeit und ein sicherer Ort, an dem suchtkranke Menschen in Not schlafen konnten. Jetzt gähnen die Fenster im Flachbau über dem Waschsalon an der Nippeser Cranachstraße schwarz und leer. Seit dem 30. April gibt es das Wohntraining und die Notschlafstelle der Drogenhilfe für Menschen, die von illegalen Drogen abhängig sind, nicht mehr. Die zehn Betten in den beiden kleinen Räumen der Notschlafstelle fallen ersatzlos weg, weil der Mietvertrag ausgelaufen ist. Andere Räume konnten bislang nicht gefunden werden. Damit wurde die Akuthilfe für suchtkranke Kölner und Kölnerinnen um beinahe ein Drittel reduziert. Gab es bisher 34 Plätze, sind es jetzt noch 24 im gesamten Stadtgebiet.

Bislang konnten die Träger der zwei verbleibenden Notschlafstellen zeitweise Hilfesuchende in die Cranachstrasse vermitteln. Im „Notel “ an der Victoriastraße, das von der Stiftung der Spiritanern betrieben und mitfinanziert wird, sind die Plätze nahezu immer belegt. „Etliche Gäste stehen schon ab 15 Uhr in der Nähe der Einrichtung, damit sie sich um 18.30 Uhr, wenn unsere Mitarbeitenden kommen, auf die Liste schreiben lassen können“, schildert Daniel Sänger, Leiter der Einrichtung, die zehn Notschlafplätze hat. „Ins Notel können sie dann ab 20 Uhr. Hier ist der Konsum, wie in allen Notschlafstellen, verboten.“ Fast täglich müssen die Mitarbeitenden Menschen wegschicken; andere gehen schon vorher, wenn sie von den Wartenden erfahren, dass die Liste voll ist. „Dass wir Menschen nicht aufnehmen können, ist für uns immer sehr bitter“, sagt Sänger. „Bisher war die Cranachstraße noch eine Möglichkeit. Dass sie geschlossen wurde, ist eine Katastrophe.“

Durch den Beziehungsaufbau in der Notschlafstelle konnten viele unserer Übernachter dann weitergehend die Hilfen im Wohnbereich annehmen.

Andreas Sevenich, Leiter Notschlafstelle/Wohntraining

Ebenfalls voll ist die Notschlafstelle für Drogenkranke an der Komödienstraße nahe dem Hauptbahnhof. Deren zehn Plätze seien täglich gut ausgelastet, die Zahl der Anfragen steige weiter an, so der Sozialdienst Katholischer Männer (SKM). „Wir bedauern es sehr, dass für die wichtigen Angebote der Notschlafstelle und des Wohntrainings der Drogenhilfe kein neuer Ort gefunden wurde“, sagte Markus Peters, Vorstandsvorsitzender des SKM. „In einer Zeit, in der Wohnraum knapp ist, bedeutet das den Verlust wichtiger Wohnplätze.“

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Im Bett schlafen, an einem geschützten Ort: die ehemalige Notschlafstelle.

Copyright: Meike Böschemeyer

Alle Notschlafstellen haben das Ziel, Vertrauen aufzubauen und in Hilfsangebote zu vermitteln. Aber dazu müssen die suchtkranken Menschen durch diese sehr niederschwelligen Angebote zunächst mit den Fachkräften der sozialen Arbeit zusammenkommen. Das ist in Düsseldorf deutlich leichter als in Köln. Hier gibt es 90 Notschlafplätze für Menschen, die illegale Drogen konsumieren; das ist ein Platz auf 7300 Einwohner. In Dortmund gibt es 20 Plätze (einen pro 31 000 Einwohner) und in Essen 15 Plätze (einen pro 39 500 Einwohner). In Köln sieht es auch schlechter aus als in den Ruhrgebiets-Kommunen. Hier gibt es einen Notschlafplatz   auf 45 000 Einwohner. Dabei ist der Handlungsbedarf unübersehbar. Laut Kriminalstatistik der Polizei hat sich die Zahl der Drogentoten in Köln und Leverkusen in vier Jahren nahezu verdoppelt: 2020 starben 50 suchtkranke Menschen, im Jahr 2023 waren es 97. „Ein Teil dieser Menschen, die oft wohnungslos sind, stirbt draußen, in Parks, unter Brücken oder an den Straßen“, sagt ein Sprecher der Polizei. „Dort finden wir sie dann.“

Mit der Einrichtung an der Cranachstraße, in der sich Notschlafstelle und Wohntraining einen Flur geteilt haben, ist für die suchtkranken Menschen auch eine Chance weggefallen, in ein Leben ohne Sucht oder mit Methadon-Ersatztherapie zurückzufinden. „Durch den Beziehungsaufbau in der Notschlafstelle konnten viele unserer Übernachter dann weitergehend die Hilfen im Wohnbereich annehmen“, sagt Andreas Sevenich, Leiter der Einrichtung. „Schätzungsweise haben mindestens 75 Prozent der Bewohner vorher unsere Notschlafplätze genutzt und von dort den Schritt ins Wohntraining geschafft.“ Alle Bewohner waren zum Zeitpunkt des Einzugs nicht allein wohnfähig. Viele haben das Ziel erreicht, wieder selbst für sich sorgen zu können, einige leben wieder eigenständig, andere in Wohnformen mit   wöchentlicher Begleitung. Manche der langjährig drogenkonsumierenden Menschen leiden unter schweren Folgeerkrankungen. Sie   wurden von den Mitarbeitenden des Wohntrainings etwa während einer Krebstherapie unterstützt.

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