Analphabetismus: Wie Erwachsene in Köln Lesen und Schreiben lernen können

Analphabetismus: Wie Erwachsene in Köln Lesen und Schreiben lernen können

Rundschau |

AnalphabetismusWie Erwachsene in Köln Lesen und Schreiben lernen können

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Machten Werbung für Alphabetisierung in Chorweiler: Juliane Averdung vom Alfa-Mobil, Dr. Anja Kischel (Leiterin des Programmbereichs Sprache bei der VHS Köln), Robert Voigtsberger (Bildungsdezernent Köln) und Kai Sterzenbach (Geschäftsführer Lernende Region Netzwerk Köln) (v.l.n.r.)

Copyright: Diana Hass

Etwa jeder zehnte Erwachsene in Köln kann nicht richtig lesen und schreiben. Kurse können das ändern. Das Alfa-Mobil macht auf sie aufmerksam. 

„Für uns ist das ein wichtiges Thema. Deshalb wollen wir niederschwellig für unsere Angebote werben und Aufmerksamkeit wecken“, sagte Bildungsdezernent Robert Voigtsberger mit Blick auf die hohe Zahl von Erwachsenen, die nicht richtig lesen und schreiben kann. Schätzungsweise zehn Prozent der Menschen in Köln sind betroffen. Am Donnerstagvormittag besuchte Voigtsberger das Alfa-Mobil, das auf dem Liverpool-Platz in Chorweiler Station machte.

Der Kleinbus mit Ständen und Informationsmaterial ist bundesweit im Einsatz, um auf das Problem der sogenannten geringen Literalität aufmerksam zu machen und für Angebote zu werben.  Davon gibt es reichlich. Alleine die Volkshochschule (VHS) Köln bietet 30 bis 50 Kurse für Kleinstgruppen pro Semester an. „Das Problem ist riesengr0ß. Uns gelingt es bisher nicht, zu einer erheblichen Reduzierung zu kommen“, unterstrich Anja Kischel, Leiterin des Programmbereichs Sprache bei der VHS Köln. Vor allem die Tabuisierung sei eine große Hürde. Menschen schämten sich, wenn sie nicht lesen und schreiben können. 

Das weiß auch Kai Sterzenbach, Geschäftsführer des Vereins Lernende Region Netzwerk Köln. Der Verein kümmert sich darum, Projektmittel für Alphabetisierungs-Maßnahmen nach Köln zu holen und Menschen zu erreichen.  Zudem unterstützt der Verein mit derzeit 24 Ehrenamtlichen einzelne Lernwillige ganz individuell.

Lesen und Schreiben lernen mit über 60

Ingo Z. ist einer von jenen, der eine solche Unterstützung gesucht hat. Der 62-jährige Chemiefacharbeiter übt seit rund einem Jahr lesen und schreiben. „Ich hatte einen Sonderschulabschluss und habe das nie richtig gelernt. Weil ich ganz gut reden kann, bin ich trotzdem durchgekommen“, erzählt der Kölner. Oberflächlich konnte er etwas verstehen, wenn nötig, seine Unterschrift unter etwas setzen. „Sonst musste ich aber immer Leute fragen. Vor allem, wenn es um irgendwelche Anträge ging“, sagt er.

Jeden Dienstag um 16.30 Uhr trifft er sich nun mit seiner Lernbetreuerin in der Stadtbibliothek in Nippes. „Wir beschäftigen uns mit Texten, wo ich Wörter einsetzen muss, manchmal auch mit Rezepten oder Einkaufszetteln“, erklärt der 62-Jährige. Das sei toll. „Ich bin nicht nur selbstbewusster geworden, ich spreche sogar anders. Früher habe ich viel mehr genuschelt“, sagt der Mann, der am Alfa-Mobil als Lernbotschafter dafür wirbt, dass andere seinem Beispiel folgen.

Mund-zu-Mund-Propaganda wichtig

Mund-zu-Mund-Propaganda sei wichtig, um Erwachsene, die nicht lesen und schreiben können, zum Lernen zu bewegen. Darüber sind sich alle Experten einig. In Familienzentren an Grundschulen aber auch in Kitas wird gezielt informiert. „Häufig übernehmen schulpflichtige Kinder das Lesen und Schreiben in der Familie“, weiß Kischel. „Es gibt vielfältige Gründe, warum Menschen nicht lesen und schreiben können“, führt sie aus.  Zwar gebe es einen Anteil von Geflüchteten. „Aber wir haben auch Menschen, die in Deutschland geboren sind, in den Kursen.“

Sich einzugestehen, dass man ein Problem mit dem Schreiben und Lesen hat und den Mut aufzubringen, es zu anzugehen, ist für viele Menschen eine enorme Überwindung. „Das ist ein langwieriger Prozess“, sagt Kischel. Dabei sind es wesentlich mehr Frauen als Männer, die sich darauf einlassen. Etwa 70 Prozent der Erwachsenen, die in Köln lesen und schreiben lernen, sind Frauen.

Teilweise müssten sie es heimlich machen, weil es als emanzipatorischer Akt in der Familie nicht gerne gesehen sei, sagt Sterzenbach. „Aus diesem Grund finden auch Einzelschulungen in Kitas statt, in die die Frauen ihre Kinder bringen. Das klappt wunderbar“, freut sich Sterzenbach.


Das Kursangebot

Die VHS Köln bietet zu unterschiedlichen Tageszeiten an ihren verschiedenen Standorten Kurse an. Dabei wird die Grundbildung Lesen, Schreiben und Rechnen angeboten. Die Gruppen sind klein, meist nehmen zwischen fünf und zehn Menschen teil.

Die Kosten für die Kurse sind sehr niedrig. Der erste Kurs ist kostenlos. Danach kostet jede Unterrichtseinheit 0,75 Euro. Eine Ermäßigung ist möglich.

Eine Beratung ist für die Anmeldung notwendig. Dafür muss telefonisch unter der Kölner Nummer 221 21089 oder per E-Mail an vhs-deutsch@stadt-koeln.de ein Termin vereinbart werden. 

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