Abschiedsgala im Depot: Was Stefan Bachmann noch einmal richtig rührte

Abschiedsgala im Depot: Was Stefan Bachmann noch einmal richtig rührte

Rundschau |

Abschiedsgala im DepotWas Stefan Bachmann noch einmal richtig rührte

Lesezeit 3 Minuten

Stefan Bachmann (M.) und sein Team.

Copyright: Clara Werdin/Schauspiel Köln

Mit „Mülheim Mon Amour“ lässt Stefan Bachmann seine elf Jahre in Köln Revue passieren

Wenn man bislang nicht geglaubt haben sollte, wie sehr Stefan Bachmanns Herz für das Theater schlägt, weiß man es spätestens seit der großen Abschiedsgala „Mülheim Mon Amour“ am Samstagabend im Depot.

Den Abend hatte der scheidende Intendant zusammen mit seinem Nachfolger Rafael Sanchez und dem früheren Chefdramaturgen Thomas Laue auf die Beine gestellt. Dabei hatte Bachmann darum gebeten, ihn mit nichts zu überraschen.

Überraschung aus Wien

Doch dann kündigt Laue an, dass Elfriede Jelinek ihm zu Ehren einen neuen Text verfasst habe. Als Jörg Ratjen, ausstaffiert wie Jelinek, diese Text-Melange aus Abschied von Köln und Begrüßung in Wien im für die Literaturnobelpreisträgerin typischen Gedankenfluss vorträgt, steht Bachmann die Rührung ins Gesicht geschrieben.

Und mit vor Staunen offenem Mund verfolgt er dieses sehr besondere Geschenk, das Ratjen zu einem echten Kabinettstück veredelt. Sicherlich einer der emotionalen Höhepunkte des dreieinhalbstündigen Abends.

Reenactment der legendären Pressekonferenz

Ein anderer Knaller ist das Nachspielen jener legendären Pressekonferenz, bei der die Stadt im Juli 2015 verkündete, dass die für November desselben Jahres geplante Wiedereröffnung der Bühnen geplatzt sei.

Während Bachmann sich selber verkörpert (und dabei eigene Schauspielqualitäten zeigt), schlüpfen Ensemblemitglieder in die Rollen von Ex-Opernintendantin Birgit Meyer, Geschäftsführer Patrick Wasserbauer, der damaligen Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach, Ex-Baudezernent Franz-Josef Höing und Petra Rinnenburger vom Gebäudemanagement.

Der „Oberverantwortungshut“

Während die drei Bühnenvertreter vor allem ihr Vor-den-Kopf-geschlagen-Sein ausagieren dürfen, hangeln sich die drei Stadtvertreter von Phrase zu Phrase, inklusive des mittlerweile zum geflügelten Wort gewordenen „Oberverantwortungshut“, den die Kulturdezernentin nicht auf ihrem Kopf sah.

Bachmann, den man sonst eher als auf Ausgleich bedacht kennt, lässt hier noch mal gehörigen Dampf ab. Und auch OB Henriette Reker bekommt später noch ihr Fett weg, als sie – gespielt von Sabine Waibel – Rafael Sanchez den „Schlüssel“ für die Bühnen überreicht: eine nutzlose Papp-Attrappe, was auch sonst.

Außenreporter à la „Wetten Dass“

Dass die Bühnen weit entfernt sind von einem Wiedereröffnungstermin, demonstriert Justus Maier als Außenreporter in einer Reihe von witzigen Einspielfilmchen vom Offenbachplatz. Da funktionieren zwar Drehbühnen oder die Elektronik des Schnürbodens. Aber der Rest lässt nicht hoffen, dass dort in absehbarer Zeit ein Vorhang hochgehen könnte.

Er selbst, verrät Bachmann im Plausch mit Laue, sei ungefähr vor einem Jahr das letzte Mal auf der Baustelle gewesen. Und dass man bis kurz vor jener Pressekonferenz an den Eröffnungstermin geglaubt war, sei wohl auf eine Art „kollektiver Gehirnwäsche“ zurückzuführen gewesen.

Kanaldeckel im Theaterraum

Ebenfalls spaßig sind Einspieler, in denen Schauspieler und Schauspielerinnen sich erinnern, wie gruselig anfangs die Bedingungen im zugigen, kalten, kaum bespielbaren Depot waren. Stefko Hanushevsky erzählt vom Kanaldeckel im Depot 2, dessen Inhalt oft „olfaktorischen Einfluss auf die Inszenierungen“ gehabt habe.

Bruno Cathomas gibt zu, dass ihn die ehemalige Werkshalle zunächst abgeschreckt habe: „Ich war Schlosser und bin da weggegangen, um Kunst zu machen.“

Quizmaster, der Kandidaten beschimpft

Weiterer amüsante Momente: Yuri Englert als Quizmaster, der seine Kandidaten beschimpft, wenn diese falsch antworten. Aber wer kann schon wissen, wer aus dem Ensemble in den meisten der 217 Premieren vertreten war. Die Antwort: Stefko Hanushevsky in 38 Inszenierungen.

Mit all diesen und den vielen weiteren Einlagen (darunter der „Ne me quitte pas“ singenden Andreas Grötzinger) hätte man stundenlang gebannt folgen können.

Ein bisschen zu viel Geplauder

Seinen Schwung verliert der Abend leider durch die Rückblicke und Gesprächsrunden, in denen die diversen Projekte aus der Bachmann-Ära noch einmal herausgestellt werden: von Birlikte bis Ballet of Difference (allerdings ohne Teilnahme oder Grußwort von Richard Siegal), vom Jugend- bis zum Seniorentheater. Bei aller Hochachtung für die jeweiligen Unternehmungen, ein wenig weniger wäre viel mehr gewesen.

Wär’s ein Theaterstück gewesen, hätte man als Kritikpunkte Timing und Anschlüsse anbringen müssen. Aber so gönnte man Bachmann und seinem Team einen bewegenden Abschiedsabend.

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