Köln | Es ist eine Aussage von Dezernent Andree Haack auf einer Veranstaltung der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU (MIT) und ihres Kreisverbandes Köln, die eine Forderung an Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Kölns Polizeipräsident Johannes Hermanns auslöst. Für eine glitzernde Metropole Köln wird die konsequente Anwendung des Kölner Stadtrechts gefordert.
Law and Order
Die MIT fordert Reker und Hermanns auf, die Kölner Stadtordnung auf den zentralen Plätzen in Köln konsequent umzusetzen. So berichtet die Gliederung der CDU Köln, dass Andree Haack auf einer ihrer Veranstaltungen am 11. Oktober 2024 gesagt haben solle, dass nach der Kölner Stadtordnung schon „jetzt gegen Auswüchse bei Drogenkonsum, Betteln und Übernachtungen im öffentlichen Raum vorgehen könne. Solche Maßnahmen seien aber in der Politik und einigen Medien umstritten“.
Diese Aussage des Leiters des Dezernat IX, Stadtentwicklung, Wirtschaft, Digitalisierung und Regionales, Haack führen bei der MIT Köln zu einem Forderungskatalog, den die CDU-Vereinigung heute per Pressemitteilung bekannt gab. Ein „Ende des Kuschelkurses“ und ein Durchgreifen von Ordnungsdienst und Polizei wird gefordert. Es seien wieder ordnungsgemäße Zustände herzustellen. Offen lässt die Mittelstandsvereinigung, wie dies operativ gelingen solle.
So schreibt die MIT Köln: „Offener Drogenkonsum, Bettlerbanden, aber auch deutlich zugenommene Wohnungslosigkeit führen zu einem Unsicherheitsgefühl der Menschen und insbesondere auch von Kindern.“ Dazu wird kritisiert, dass es in Köln nicht gelinge, ein sauberes und gepflegtes Stadtbild wie in anderen deutschen Städten herzustellen.
Wohnungslosigkeit
Interessant ist, dass die MIT Köln gefühlt mit Wohnungslosen-Initiativen ins gleiche Horn bläst: Die Stadt soll Menschen ohne Wohnung ein besseres Angebot mit Übernachtungsmöglichkeiten und soziale Unterstützung bieten, so die CDU-Vereinigung.
In ihrer Dissertation aus dem Jahr 2006 zum Thema „Kriminalität, Kriminalisierung und Wohnungslosigkeit“ schreibt Marion Müller, dass drei Komponenten die Lage von Menschen in der Obdachlosigkeit beschreiben: Da ist die sozialräumliche Situation, also dem Aufenthalt im öffentlichen Raum, in diesem Fall von Köln. Wer ohne Obdach ist, hat keine andere Chance als gegen die Kölner Stadtordnung zu verstoßen und wenn es regnet oder schneit muss er oder sie sich unterstellen und auch im Freien schlafen. Die finanzielle Lage: Die meisten Menschen, die Obdachlos sind, haben einen Mangel an finanziellen Ressourcen. Sie könnten also nicht das Kölner Stadtgebiet nachts verlassen, um dort zu schlafen, wo sie nicht gegen die Stadtordnung verstoßen. Abgesehen davon hätten sie wahrscheinlich nicht das Geld für das KVB-Ticket und würden sich damit wegen Schwarzfahrens strafbar machen. Mangelnde finanzielle Ressourcen bedeuten in Köln auch, dass man sich keine Wohnung leisten kann. Und nicht zu vergessen, die psycho-soziale Situation: der physische und psychische Gesundheitszustand, die oftmals vorhandene Alkoholabhängigkeit und das soziale Netzwerk, das dann häufig nur noch aus Menschen mit dem gleichen Schicksal besteht.
Wo sollen sich Menschen also in Köln aufhalten, wenn sie keine Wohnung haben? Seit Jahren fordert etwa das Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung die Stadt auf, Wohnungen für Obdachlose zur Verfügung zu stellen. Rainer Kippe, Vertreter der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM), wirft der Stadt Köln Versagen im Umgang mit Obdachlosen in Köln vor. Am 24. November 2020 stellte das Europäische Parlament fest, dass in der EU in den vergangenen 10 Jahren die Zahl der Obdachlosen um 70 Prozent gestiegen ist. Das Parlament forderte die Nationalstaaten auf, Obdachlosigkeit zu entkriminalisieren und gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Diensten wie Gesundheitsversorgung, Bildung und Sozialleistungen zu gewähren. Damit ist eindeutig und richtig die Stadt adressiert: Der Rat der Stadt Köln, in dem das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt die entscheidende Kraft ist und die Stadtverwaltung, allen voran Dr. Harald Rau, der Sozialdezernent. Hier stellt sich nicht die Frage nach Law and Order, sondern wann setzt die Stadt Köln erfolgreich „Housing First“ um. Insofern trifft auch die MIT Köln einen Kern mit ihrer Forderung, dass die Stadt Obdachlosen Übernachtungsmöglichkeiten bieten muss. Die Anwendung des § 11 der Kölner Stadtordnung gegen Obdachlose, denen die Stadt Köln kein Zimmer, Wohnung oder wenigstens einen Notschlafplatz anbieten kann, erscheint dagegen hinterfragenswert.
Forderung nach Aktionsplan
Denn Reker und Hermanns werden von der MIT Köln aufgefordert, einen gemeinsamen Aktionsplan aufzusetzen, der zum Ziel hat: „strafbares Verhalten und nach § 11 der Stadtordnung störendes Verhalten in der Öffentlichkeit konsequent zu unterbinden.“ Erst zu Beginn des Jahres wurde der Paragraf 11 der Kölner Stadtordnung um den Konsum von Lachgas ergänzt. In diesem Punkt c wird die Störung durch den Konsum von Alkohol und Drogen benannt und untersagt, wie auch das Verrichten der Notdurft. Auch die Übernachtung im Öffentlichen Raum ist geregelt und verboten. So ist aber etwa Betteln nicht grundsätzlich untersagt, wohl aber bestimmte Formen, wie etwa aggressives Betteln durch Bedrängen von Passant:innen, um nur einen Punkt zu nennen.
Die glitzernde Innenstadt ohne Bettler und Junkies
Der MIT Köln geht es um die zentralen Plätze und Handelsstraßen in der Kölner Innenstadt, die sie mit der Anwendung von Law and Order nach ihrer Vorstellung gestalten will. Die glitzernde, leuchtende und funkelnde Handelsmetropole Köln, die durch Sauberkeit glänzt und strahlt. Ein schönes Wunschbild, aber realistisch? Es ist nicht das erste Mal, dass Szenen, die nicht in diese Wunschvorstellung passen vertrieben wurden. Beim letzten Versuch etwa den Neumarkt diesem Ideal zu nähern, kam es zu einer Verdrängung in den Stadtteil Kalk. Auch dort gilt die Kölner Stadtordnung und die Probleme wurden nicht geringer. Und die Szene kam an den Neumarkt zurück. Es dürfte einen einfachen Grund dafür geben, warum auch Händler für diese Handelslage mehr bezahlen: Die Frequenz. Wer Geld erbetteln will, für Drogen oder was zum Essen ist auf Frequenz angewiesen.
Differenzierung dringend nötig
Ja, es braucht einen Aktionsplan. Aber nicht nur einen der auf Law and Order setzt, sondern der differenziert die vielschichtigen Probleme benennt und tragfähige Lösungen vorschlägt, die umgesetzt werden können und die die Stadt leisten kann.
Der Kölner Polizeipräsident Johannes Hermanns hat in der aktuellen Stunde der vergangenen Ratssitzung als es um das Thema Explosionen in der Kölner Innenstadt und das Themenfeld Organisierte Kriminalität ging viel Interessantes gesagt und eine differenzierte Sichtweise eingebracht. Etwa zum Thema der Drogenkonsumräume in Köln. Aus dem Wortprotokoll der 35. Sitzung des Kölner Rates zu den Einlassungen Hermanns: „Ich habe persönlich tatsächlich einen großen Wunsch; er hat auch mit dem Umgang mit Drogen zu tun. Ich habe mich eben mit Herrn Dr. Rau unterhalten. Wir sind auch in regelmäßigem Austausch, und wir haben immer das Problem, wenn wir Drogenkonsumräume einrichten, dass wir automatisch in den heutigen rechtlichen Gegebenheiten den illegalen Drogenhandel mit anziehen; denn die Drogenkonsumräume dürfen nicht abgeben. Also bleibt den Nutzern der Drogenkonsumräume nur die Möglichkeit, sich am illegalen Markt zu bedienen. Ich glaube, dass wir politisch und gesellschaftlich darüber nachdenken müssen, wenn wir medizinisch indizierte Schwerstabhängige haben, ob wir dann nicht auch staatlich ermöglichen, auf Rezept oder wie auch immer, in den Drogenkonsumräumen abgeben zu können, damit wir sie nicht in den illegalen Markt drängen. (Beifall) Dafür sind Sie als Rat natürlich nicht zuständig, aber Sie sitzen alle auch in größeren politischen Gebilden. Wir sollten da an dem politischen Klima arbeiten. Wie gesagt, ich glaube, wir sollten nicht aktiv an junge Menschen herangehen. Aber wenn wir bei Schwerstabhängigen darüber nachdenken, ob wir das nicht legal ermöglichen, dass die Abgabe über Mediziner oder wie auch immer ermöglicht wird, dann dämmen wir, glaube ich, den illegalen Markt auch ein Stück weit ein.“
Der Beitrag der MIT Köln ist legitim und richtig. Er wäre hilfreicher, wenn er differenzierter in der Aussage wäre. Das gilt auch für die Aussage des Dezernenten Andree Haack. Nur die Anwendung des Stadtrechts wird die Probleme nicht lösen. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: sie wird die Probleme noch nicht einmal lindern. Die betroffenen Menschen brauchen Hilfe und Solidarität.
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