Rundschau | Erik-Wickberg-Haus in EhrenfeldWie der Weg aus Obdachlosigkeit und Alkoholabhängigkeit gelingen kannVon Hans-Willi Hermans28.08.2024, 08:57 UhrLesezeit 4 Minuten Er hat es geschafft: Thomas Donadt – hier zu sehen vor dem Erik-Wickberg-Haus, in oder vor seiner Pförtnerloge – ist trocken und kann von seinem 40-Stunden Job mittlerweile „gut leben“.Copyright: Hans-Willi HermansDie Einrichtung für wohnungslose Männer in der Marienstraße feiert das 50-jährige Bestehen mit einem Fest für Ehemalige und Interessierte.Erik Wickberg – nie gehört? Thomas Donadt kann weiterhelfen: Wickberg war einst Territorialleiter der Heilsarmee in Deutschland und von 1969 bis 1974 sogar General der internationalen Heilsarmee. Im Jahre 1974 hatte die Heilsarmee das Haus in der Marienstraße in Ehrenfeld gepachtet und sechs Jahre später nach Wickberg benannt: „Er hat es auch selbst besucht“, erzählt Donadt, der zur Vorbereitung des Jubiläums Nachforschungen im Internet angestellt und Kontakt mit der Familie aufgenommen hat: „Seine Frau lebt noch, sie ist 101 Jahre alt. Wir haben sie eingeladen, aber sie wird wohl nicht kommen.“Denn anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Einrichtung für wohnungslose Männer wird ein großes Fest gefeiert. Dann ist auch die Ausstellung zu sehen, die Pförtner Donadt mitorganisiert hat: Ein Mitarbeiter hat Schwarz-Weiß-Fotografien der aktuellen Bewohner erstellt, historische Bilder und Texttafeln erläutern die Geschichte der Einrichtung. „Das Gebäude stammt wohl aus den 50er Jahren“, so der 56-Jährige, „es wurde als Übergangsheim genutzt, vermutlich lebten hier Kriegsheimkehrer oder Spätaussiedler.“Jobs sollen Tagesstruktur gebenEinen großen Teil der Geschichte des Erik-Wickberg-Hauses kann Thomas Donadt aus eigener Erfahrung schildern. Denn im Jahre 1997 war er selbst als Hilfesuchender in einer schwierigen Lebensphase hierhergekommen. Der gelernte Verwaltungsfachangestellte aus Duisburg hatte Anfang der 90er Jahre eine Stelle beim Evangelischen Kirchenverband Köln angetreten: „Aber dann ist da die riesige Stadt, in der man niemanden kennt. Man geht in die Veedelskneipe und lernt Menschen kennen. Menschen, die keinen guten Einfluss haben, falsche Freunde.“Donadt trinkt zu viel, er verliert seine Stelle und seine Wohnung, eine Ehe scheitert, auch die Umschulung zum Steuerfachangestellten. Eine Zeitlang übernachtet er bei Freunden, kommt in einem Versammlungsraum unter. Dann rät ihm ein Sozialarbeiter, mal in die Marienstraße zu gehen. Dort werden Jobs als tagesstrukturierende Maßnahmen angeboten, die den Bewohnern die Wiedereingliederung in die Arbeitswelt erleichtern sollen. Schon 1998 wird Thomas Donadt als Pförtner eingestellt, zunächst mehrere Jahre lang mit befristeten Verträgen.Erik-Wickberg-Haus bietet nur noch EinzelzimmerEine eigene Wohnung bekommt er auch wieder, in Höhenberg. Denn ihn stört es, dass es im Erik-Wickberg-Haus, in dem heute mehr als 50 Männer leben – hinzukommt ein Dutzend Plätze im Rahmen des Betreuten Wohnens –, damals noch Mehrbettzimmer gab.Weil die Bewohner neben der Wohnungslosigkeit häufig Probleme wie Alkohol- oder Drogensucht, Arbeitslosigkeit, Verschuldung, teils auch psychische Erkrankungen mitbrächten, seien da Konflikte vorprogrammiert. Mittlerweile gibt es nur noch Einzelzimmer, und das sei gut so. Auch, dass es sich immer noch um ein Wohnhaus ausschließlich für Männer handele: „Die Anwesenheit von Frauen birgt Sprengstoff.“Thomas Donadt schafft den Weg aus dem AlkoholThomas Donadt erlebt Höhen und Tiefen: Zwar sind Alkohol und Drogen ebenso wie Gewalt in der Einrichtung streng verboten, aber was die Bewohner außerhalb tun, kontrolliert niemand. Da treffe man sich nicht selten an einer Theke. „Aber das passt nicht gut zu einer festen Arbeitsstelle“, sagt er.Ansprachen, Abmahnungen, letzte Warnungen, wie „Jung, pass auf“, habe er regelmäßig von den wechselnden Einrichtungsleitungen bekommen: „In der freien Wirtschaft hätte ich das niemals so machen können. Vor 13 Jahren dann habe ich einen rigorosen Schnitt gemacht und meinen Freundeskreis komplett ausgetauscht.“Heute verbringt Donadt seine Abende nicht mehr am Tresen, sondern mit Menschen, die ähnliche Interessen haben wie er, etwa Mitglieder des Geschichts- und Heimatvereins rechtsrheinisches Köln. Und er ist trocken.Er habe aber „nicht vergessen, woher ich komme“, wenn jemand an die Pforte kommt und einen Ansprechpartner sucht, Essensmarken braucht oder Tipps für kostenlosen Zeitvertreib – „denn die meisten hier kommen nicht aus Köln“ – dann sei häufig Geduld gefragt. Auch beim Umgang mit Betrunkenen. „Notfalls drohe ich auch mal mit der Ausnüchterungszelle, zur Polizei in der Inspektion 3 haben wir einen guten Kontakt, die sind sofort da.“Thomas Donadt wünscht sich vor allem, dass das Café des Erik-Wickberg-Hauses, in dem ebenfalls Bewohner arbeiten, wieder am Nachmittag geöffnet ist. Damit Nachbarn häufiger vorbeischauen und Vorurteile abgebaut werden.Dem kann Dagmar Puh, Teamleiterin Kommunikation bei der Heilsarmee Deutschland, nur beipflichten. Aber auch am Gebäude, das die Heilsarmee der Stadt 2017 abgekauft hat, liege einiges im Argen: Strom- und Wasserversorgung müssten erneuert werden, barrierefrei sei es auch nicht. „Wenn jemand nicht weiß, wohin mit seinem Geld: Hier wäre ein guter Ort“, sagt sie.Fest im Erik-Wickberg-HausFür Freitag, 30. August, sind alle Freunde und Ehemaligen herzlich zum Fest im Erik-Wickberg-Haus in die Marienstraße 116 eingeladen. Aber auch alle Neugierigen, die sich informieren, umsehen oder Kontakte knüpfen möchten.Ab 11 Uhr geht’s los mit Grußworten, um 12 Uhr wird das Grillbuffet eröffnet, etwas später das Café. Gegen 14 Uhr treten Klaus der Geiger und das Duo Piaddolla auf, um 15.30 Uhr steht Kabarettist Jürgen Becker auf der Bühne. (hwh)
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