AfD vs. AAS: Wer Demokratie verteidigt, wird zum Ziel

12. November 2025


Die AfD-Fraktion im Bundestag.

(Quelle: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

Am 12. November, will die rechtsextreme AfD einen Antrag im Deutschen Bundestag einbringen, mit dem sie fordert, die staatliche Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung zu beenden. Nach einer rund 30-minütigen Debatte soll der Antrag in die Ausschüsse überwiesen werden. Die Reaktionen der demokratischen Parteien werden zu einem Gradmesser für die Stabilität der Brandmauer gegen Rechtsextreme. 

Die Rechtsextremen werfen der Amadeu Antonio Stiftung (AAS) vor, möglicherweise „Verbindungen in ein politisch extremes Umfeld“ zu haben. Sie raunen von „Zweckentfremdung von Mitteln“ und zweifeln an der „parteipolitischen Neutralität“ der Stiftung, der sie eine „als kritisch zu verstehende Haltung gegenüber den Grundwerten unserer Gesellschaft“ unterstellen.

AfD-Antrag: Rechtsextremes Playbook

Die Vorwürfe sind nicht neu, sie folgen einem bekannten Muster rechtsextremer Diskreditierung. Seit Jahren versucht die AfD, demokratische Institutionen, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus engagieren, als „politisch einseitig“ oder „extremistisch“ darzustellen. Damit will sie das Vertrauen in jene Akteur*innen erschüttern, die demokratische Aufklärungsarbeit leisten. Hinter der Kritik an angeblicher „Zweckentfremdung“ oder „mangelnder Neutralität“ steckt wohl weniger die Sorge um Transparenz, sondern eine politische Strategie: Die AfD versucht, antisemitismuskritische, rassismuskritische und antifaschistische Bildungsarbeit zu delegitimieren und damit jene Strukturen und Stimmen zum Schweigen zu bringen, die ihre eigene Ideologie offenlegen und bekämpfen.

„Der Antrag der AfD schadet nicht uns, sondern der AfD selbst“, so Timo Reinfrank, Vorstand der Amadeu Antonio Stiftung, gegenüber Belltower.News . Er sei „inhaltlich schwach, zum Teil absurd und an keiner Stelle in der Lage, die erhobenen Vorwürfe auch nur ansatzweise zu belegen“. Die AfD „offenbare mit diesem Antrag ihr fehlendes Demokratieverständnis“.

„Wir werden angegriffen, weil wir der AfD gefährlich werden, weil wir aufzeigen, dass die rechtsextreme Partei eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie ist“, erklärt Reinfrank. „Die AfD will unsere Demokratie abschaffen, wir hingegen verteidigen sie. Damit sind wir der AfD natürlich ein Dorn im Auge, denn wir stellen uns ihrer völkischen Ideologie aktiv in den Weg.“

Mit dem aktuellen Antrag steht zwar die Amadeu Antonio Stiftung in der Schusslinie, aber gemeint ist die gesamte Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzt. „Dieser Angriff ist ein Angriff auf uns alle und er zeigt zugleich, dass wir mit unserer Arbeit erfolgreich sind“, so Reinfrank weiter.

Warum jetzt dieser Antrag?

Ganz einfach: Die AfD will die demokratische Zivilgesellschaft nicht nur einschüchtern und schwächen, sondern zerstören. Und die Amadeu Antonio Stiftung gilt in Deutschland als wichtiger Akteur im Kampf gegen Rechtsextreme, Antisemit*innen und menschenfeindliche Ideologie. Ihre ständige Aufklärungsarbeit ist der Partei ein Dorn im Auge. Denn ihre Arbeit wirkt.

Kolleg*innen der Stiftung schulen Lehrkräfte und Schüler*innen zu Rechtsextremismus und Hassideologien, entwickeln pädagogische Konzepte für eine antisemitismus- und rassismuskritische Bildungsarbeit und klären über Verschwörungserzählungen und rechtsextreme Netzwerke auf.

Zivilgesellschaft: Das Rückgrat der Demokratie

Doch all diese Arbeit würde verpuffen, gäbe es nicht die Menschen, die sich in ihrem Alltag permanent gegen demokratiefeindliche Ideologie zur Wehr setzen. Die allermeisten demokratischen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft tun dies ehrenamtlich. Sie widmen ihre Freizeit dem Schutz der Demokratie und der Achtung der Menschenwürde. 

Eine lebendige Zivilgesellschaft ist das Rückgrat jeder Demokratie. Vereine, Initiativen und auch Stiftungen stärken die Widerstandskraft gegen Rechtsextremismus und Demokratiefeinde, dokumentieren Hass und Gewalt, unterstützen Betroffene und schaffen Orte der Aufklärung und des Zusammenhalts. Verstummt die Zivilgesellschaft, verliert die Demokratie ihr Rückgrat.

Die Amadeu Antonio Stiftung fördert und unterstützt diese breite Basis, auch finanziell. Beispiele dafür sind vielfältig: In Ostritz wehrt sich die Stadt erfolgreich gegen ein neonazistisches Musik- und Kampfsportfestival. Senior*innen aus Papenburg und Kirchheim unter Teck lernen, gegen menschenverachtende Parolen zu argumentieren. Und in der Gedenkstätte Sachsenhausen wird endlich der lange vergessenen Opfer des Nationalsozialismus gedacht, die als „Berufsverbrecher“ oder „Asoziale“ verfolgt wurden.

Die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung wird zum einen durch staatliche Projektgelder, zu großen Teilen aber durch Spenden finanziert.

Alte Verschwörung in neuem Gewand

Seit Längerem raunt die extreme Rechte von einem angeblichen „NGO-Komplex“. Eine Verschwörungserzählung, die ihren Ursprung in den USA hat. Dort nutzte Donald Trump im Kampf gegen den vermeintlichen „Deep State“ diese Rhetorik, um Gegner*innen zu diffamieren.

Zum zentralen Feindbild stilisierte die amerikanische Rechte den jüdischen Philanthropen George Soros und seine Stiftung „Open Society Foundations“, die als Förderer von Demokratie, Wissenschaft und Menschenrechten gilt. Rechtsextreme machten ihn zur Symbolfigur einer angeblichen „jüdischen Weltverschwörung“, eine antisemitische Erzählung, die bis heute von Autokrat*innen und Verschwörungsideolog*innen bedient wird. Jüngst forderte US-Präsident Trump, dass George Soros sowie dessen Sohn Alexander strafrechtlich verfolgt werden. Trump warf ihnen vor, gewalttätige Proteste in den USA finanziell zu unterstützen. Dabei beruft er sich auf ein Gesetz, das für organisierte Kriminalität gedacht ist.

In Deutschland übernehmen extreme Rechte dieses Muster. Für sie ist die Amadeu Antonio Stiftung das, was Soros für Trump ist: ein Symbol des verhassten Liberalismus, der Gleichheit und der Menschenwürde. 

Angriff auf die demokratische Öffentlichkeit

Seit rund einem Monat steht die Amadeu Antonio Stiftung im Zentrum einer massiven Hetz-Kampagne. Ein enorm personen- und reichweitenstarkes Netzwerk von rechten Kampagnen-Organen versucht systematisch, die Arbeit der Stiftung zu skandalisieren. Auf AfD-freundlichen Plattformen wie Nius und Apollo News wird täglich skandalisiert, verzerrt und verleumdet.

Alles wird hier zu einem Skandal aufgebläht. Die extrem rechten Akteure raunen in die Weiten ihrer Social-Media-Kanäle. Die Anhängerschaft weiß das Geraune gekonnt mit rechtsextremen Inhalten und Verschwörungsmythen zu füllen. Und leider verfängt das auch bei demokratischen Akteur*innen.

Diese neuen rechtsaußen Kampagnen-Portale wie Nius und Apollo News veröffentlichen beinahe täglich Texte oder Videos, die die Amadeu Antonio Stiftung zum Thema haben. Dort, wo besonders Nius noch vor knapp zwei Jahren Inhalte veröffentlichte, um die Union weiter nach rechtsaußen und anschlussfähig an die AfD zu machen, finden sich mittlerweile beinahe ausschließlich Inhalte, die sich positiv auf die AfD beziehen.

Wie standhaft ist die Brandmauer?

Der Antrag, der am Mittwochabend im Bundestag behandelt wird, markiert damit vorerst den Höhepunkt einer jahrelangen Diffamierungskampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung. Den Boden dafür bereitet haben die Vorfeldjournalist*innen um Nius und Apollo

Mit dem Antrag setzt die AfD ihre autoritäre Strategie im parlamentarischen Gewand fort: Sie nutzt demokratische Verfahren, um demokratische Institutionen zu attackieren. Ziel ist es, Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement zu säen und staatliche Förderstrukturen auszutrocknen, die sich für Vielfalt, Gleichberechtigung und Menschenrechte einsetzen. Diese Angriffe sind Teil einer breiteren rechtsextremen Agenda, die darauf abzielt, kritische Öffentlichkeit zu schwächen und den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts zu verschieben. Wo die AfD vorgibt, „Neutralität“ einzufordern, meint sie in Wahrheit politische Anpassung an die eigene rechtsextreme Agenda. 

Der Antrag der AfD ist deshalb mehr als nur ein parlamentarischer Vorgang, er ist ein Angriff auf all jene, die sich täglich für Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde einsetzen. Wenn dieser Antrag am Mittwoch im Bundestag behandelt wird, steht nicht nur die Finanzierung einer Stiftung zur Debatte, sondern auch die Frage, wie wehrhaft unsere Demokratie wirklich ist. 

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